Mt 6:1 Habt acht auf eure Almosen, daß ihr die nicht gebet vor den Leuten, daß ihr von ihnen gesehen werdet; ihr habt anders keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. 2 Wenn du Almosen gibst, sollst du nicht lassen vor dir posaunen, wie die Heuchler tun in den Schulen und auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin. 3 Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, 4 auf daß dein Almosen verborgen sei; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten öffentlich
In dem text des Schrifts es gibt mehrere Gleichnisse, die das Bild von dem rechten und Linken ausnutzen. Wir werden hier nicht alle aufzählen, aber wir können uns erinnern zum Beispiel die Schafen un Böcke oder die zwei Schächer. Diese Bilder stützen sich an die bekannte Tatsache, daß der Mensch irgendwie Paarweise ist. Und das nicht nur mit dem, was sich von außen zeigt, durch die äußere Merkmale, wie Hände, Ohren, oder sogar Nieren, sondern auch im Inneren: auch innere Organe sind paarig – die Lunge, die Nieren. Wenn wir den menschen durchleuchten und dann das Bild seitenweise umkehren würden, nur sehr wenig daran würde eine Korrektur verlangen. Der Mensch ist so beträchtlich ein Zwiling von sich selber. Und mehr: Die Paarigkeit im Menschen ist nicht eine bloß äussere Erscheinung. Der Mensch ist nämlich in einem ständigen Dialog mit sich selber. Und was bedeutet dieser innere Dialog? Ja natürlich: die ständige Erwägung von Pro und Kontra, den unaufhörlichen Zweifel. Es gibt sich nicht eine Idee, die wir fassen, die nicht unbedingt nach sich auch den Gegenteil ziehen würde. Die Fähigkeit (und Notwendigkeit!) der inneren Reflexion, entzieht auf einer Seite den Menschen von seiner unbedingten Umständen, und verhindert ihn jedesmal eindeutig reagieren. (Und natürlich auch wenn solche Reaktion wünschenswert wäre. Wenn die Falke erst in eine innere Reflexion geraten müsste, als sie die Maus erblickt, sie würde nie etwas fangen.) Aber auf der anderen Seite es gibt dem Menschen und seinen Entschlüssen erine grosse Plastizität und Schwergewicht – wirklich Schwergewicht – weil auf beiden Waagschalen es gibt Vieles, was in Überelegung genommen wurde. Der große Kenner des menschlichen Charakter, William Shakespeare hat schon längst diesen Habitus des menschlichen "Zaghaftigkeit" in der Person des Prinzen Hamlet aufgezeichnet.
Zwischen "die Rechte und die Linke" verläuft also ständig ein Dialog als zwischen den entsprechenden Teilen des Menschenwesens. Auf jedes Wispeln einer Begierde, oder Geneigtheit oder Vorsatzes dies oder das zu tun, es immer ein leiser, doch nur desto unmittelbarerer Widerhall kommt: "Tue das nicht.
", oder : "Warum nicht lieber das Jene?"
Solchen gegensätzlichen Stimmen unseren Inneres zuzulauschen ist zwar klug und es vervollkommt den Menschen in Weisheit, aber es ist nicht möglich es bis ins Unedliche tun. Eines Tages, in einem Augenblick müssen wir aufstehen und sagen: "Ich tue so und so." Es gibt auch in dem menschlichen Körper solcher vereinende Faktor – die wichtigsten Organe – das Gehirn, die Wirbelsäule, die Leber – sind nur eine. Das ist die Art, wie der inner ungeteilte Mensch handelt. Wenn der Körper gänzlich auf die Doppelgänger zerteilt würde, es würde ihm schlecht ergehen. Der Dialog, der Austausch zwischen den Teilen, zwischen "der Rechte und der Linke" ist dazu eine notwendge Vorbedingung.
Und was bedeutet in solchem Interpretationkontext das biblische Bild darüber, daß "deine Linke nicht wissen soll, was die Rechte tut"? Nichts weniger als ein absolutes Verneinen, solches komplizierten Entschussmechanismus! Schon die Jüdischen Weisen der Epochen um die Zeitrechnungswende, aus Jesus Zeit oder wenig spätere, dessen Lehre später die Mischna und den Talmud konstituieren hat, wussten darüber, daß die menschliche Moral mehrere Stufen hat: es gibt eine Grundstufe, die , die das Gesetz verlangt. Aber es gibt auch weitere Stufen, die schon aus freier Moralintuition ausgehen. Und auf solcher Ebene es sei möglich und gebührend manchmal auch anders als nach den Regeln für den normalen Lebenswandel zu handeln. Und dasselbe gilt auch für die Denkweise und das Entscheiden. Es gibt Situationen, in welchen wir Spontan, ohne Nachdenken reagieren sollen. Jesus behauptet, dass die Situationen, bei denen Barmherzigkeit zum Ausdruck kommt, gehören zu ihnen in erster Reihe. Barmherzigkeit sich nämlich auflehnt den Kategorien des Pro und Kontra. In solchen Augenblicken haben wir Recht, unseren inneren Prozeß beiseite, sozusagen zu einem Nebengleis zu schieben, und spontan zu handeln. Wir haben Recht auf das spontane "Ja", aber Achtung! Wir haben auch Recht auf das spontane "Nein!" Und wir müssen keines davon durch nachträglichen Moralspekulationen besonders zu rechtfertigen. Wir haben Recht die Hand zu rücken und in eine Schicksalsverbinung hereinzutreten, aber geradeso wir haben Recht für einen freien Entschluss in die Situation sich nicht einzumischen und so ein "karmisches Band", wie die Buddhisten sagen würden, nicht zu schaffen. Jesus Afforderung " deine linke Hand wisse nicht, was die rechte tut” hat hier ähnlichen Sinn als der archetypische Märchenscheideweg (der sich z.B auch in Andreaes Chymischer Hochzeit befindet), wovon alle Wege zum Ziel führen, wenn jedoch man eine beschreitet, es ist ihm die Rückkehr nicht mehr möglich. Man könnte es vielleicht auch so fassen: "Wenn du tief in deinem Wesen ausgewogen bist, das ist, wenn deine Rechte harmonisch mit der Linke verknüpft ist, und in deinem Innerem sich diese Gegenteile dauerhaft entsprechen, also wenn dein innere Dialog im Ordnung ist, du darfst sich in gewissen Augenblicken erlauben alles das gehen lassen und einseitig zu sein.
Matthäus sechste Kapitel ist ein Teil der Bergpredigt. Und in der es mehrmals erklingt: "Ihr habt gehört, daß gesagt ist: ..ich aber sage euch:” Jesus jedoch hierbei sagt in derselben Predigt (Mt 5:18) "Ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz.” Auch hier geht es also nicht um eine Moral, die nur eine Ebene hätte. Was der Gesetz sagt und verlangt, gilt. Aber gleichzeitig es ist schon da ein andere Modus, eine andere Ebene des Moraldenkens und -handelns. Und es scheint, dass solche Doppelstufigkeit sich birgt auch in anderen Teilen der Bergpredigt – nur muss man es da entdecken können, und dazu gerade sollte dieser Versuch dienen.
Der ursprüngliche Text findet man an: andresius.pise.cz/260-pravice-a-levice.html