Es ist fast eine Regel: Was lieben wir, das ärgert uns am meisten.
Ich liebe die Christengemeinschaft.
Deshalb sie auch ärgert mich.
Ein schöner Syllogismus, nicht wahr? Leider erinnere ich mich nicht zu welcher Figur sollte er gehören. Macht nichts. Es ist mehr als ein Syllogismus. Liebe hängt zusammmen mit Leben, nur Lebendiges können wir lieben. Und wenn jemand zum Beispiel einen Stein oder eine Puppe (die Kinder!) liebt, er oder sie beseelt sie.
Die Christengemeinschaft ist sehr geistig, sehr geistreich, ich kenne keine andere Glaubensgemeinschaft, die so eingedrungen im Geist wäre.
Was mir manchmal an der Christengemeinschaft mangelt ist einfach Leben.
Den Christen aus der Christengemeinschaft (wie auch allen Anthroposophen) liegt sicher mehr als anderen Christen daran, eine richtige geistige Schau auf beliebige Frage sich zu gewinnen, und so – vereinfacht gesagt – um zu wissen statt um zu glauben. Das hat der Christengemeinschaft ziemlich starre Organisationsgormen beigebracht, denn wenn man weisst, wie "es sein soll", braucht man schon keine Improvisation mehr. Der Theorie nach, spielt sich das Leben in der Christengemeinschaft (im Spiegelbild zu den Ebenen des Menschenwesens) auf vier Ebenen ab. Von diesen hat sich die Christengemeinschaft als ihr Schwerpunkt, worin ihre ganze Gleichgewicht ruhe, die zweite, die etherische Ebene, die hat sie auch durch ihr Kultus als Kultusebene ausgezeichnet. Also die etherische- bzw. Lebensebene des Lebens der Christengemeinschaft spielt sich ausschließlich in dem Kultus ab. Ja, gut, so sei es!
Aber... Dank der modernen Biologie wissen wir heutzutage ziemlich viel von dem Leben und von dem, was es kennzeichnet, und so wir heute überzeugt sind, dass das Leben eine Homeostase ist. Das meint, dass jedes Lebewesen seine Identität und innere Stabilität durch stetes Verwandeln erhält, und wenn es schon etwas in einem Leben konstant gibt, ist das nur eine konstante Strömung, ein konstanter Fluß. Überall im Bereich des Lebens besteht Identität aus und durch Verwandlung.
Aus solchen Beobachtungen ausgehend bin ich natürlich der Auffassung, dass auch das kultische Leben der Christengemeinschaft sich wandeln müsse, um die erhoffte Stabilität zu erlangen. Das ist aber in der Christengemeinschaft leider nicht der Fall.
Es ist deshalb selbverständlich, dass ich in dem Februarnummer Der Christengemeinschaft erschienenen Aufsatz "Kann unser Kultus geändert werden?" von Ulrich Meier mit Neugierigkeit, sogar Spannung las. Diese Gefühle wurden aber bald durch Enttäuschung abgelöst. Der Artikel selbst ist eine Reaktion auf einen – für mich hier in Tschechien leider unerreichbaren Artikel – in den Flensburger Heften. Weil sich der Aufsatz in Der Christengemeinschaft zu der Möglichkeit einer Änderung des Kultus in der Christenegmeinschaft eher negativ stellt, kann ich nur indirekt daran schliessen, dass vielleicht der ursprüngliche Artikel dazu eine positive Haltung vertreten hatte. Die gute Devise des Artikels Herrn Maiers ist, dass er die - in übriger Christenheit – seltsame Haltung der Christengemeinschaft die Offenbarung als ein fortgehender Prozess aufzufassen erwähnt. Darüber ist aber das Argument nicht. Es geht um den Kultus und das Kultusleben. Und dazu ist Herrn Maiers Stellungsnahme kurzgefasst: "Lieber Tod als Verwandlung." Natürlich ist der Autor nicht blind. Er sieht, dass sogar der grösste Koloß in Rahmen der Christenheit - die Katholische Kirche – hat sich zu verwandeln begonnen. Aber wir machen es nicht. Warum? Sollte vielleicht gerade die Gemeinschaft , die als erste zwischen verschiedenen christlichen Strömungen die Tatsache der Entwickelung völlig ernst nahm, vor der Notwendigkeit eingener Entwickelung nicht weichen?
Ich weiss, das der Autor mit solchen Stimmungen in der Christengemeinschaft nicht einsam ist. Das Altersprofil ist ja bei Gottensdiensten in der Christengemeinschaft nicht sehr verschieden von dem von anderen Kirchen. Die Christengemeinschaft aber vielleicht noch mehr als diese leidet an – sei mir die Neuförmung gestattet – ÜberleBenheit, Übersehen von Leben, die natürlich bis in Leblosigkeit münden kann. Aber ich hoffe, dass auch ich mit meinem Ruf nach VERWANDLUNG (lieber steter als großer, weil der Fluß wird groß mit tausenden kleinen Bächern die darin münden), oder GENERALREFORMATION, stehe in der Reihen der Chrisengemeinschaft nicht allein. Es gibt Dinge in dem Kultus, bzw in der Menschenweihehandung, die dringend zu übersehen sind, konkret die Gestaltung der Kommunion u.a., welche der heutigen Selstbewusstheit des Menschen nicht mehr entsprechen. An die aber will ich nicht angehen, denn hier geht es erst um das Prinzip. Bieten wir diesen die Stirn, statt hypochondricher "Nach uns die Sintflut."