Wer hat Ecos "Name der Rose" gelesen, konnte nicht unbemerkt die seltsame Zeitberechnung fahrenlassen (die bei einem obwohl im Mittelalter sich abspielenden – Detektivroman natürlich ziemlich wichtig ist), wodurch das ganze Geschen da rythmisiert wird (so dass sich letzendlich alles in einer ungläublich kurzen Zeit einer Woche abspielt). Umberto Eco erklärt es kürzlich in seiner Vorrede, aber dass gilt nur als Klarmachung für die schon Wissende; eher er da nur weist auf Besonderheit der Varianten und Abweichungen solcher Zeitrechnung hin. Wie also rechnet man die Zeit mithilfe solchen exotischen Wendugen als nach den Vespern oder von Laudes bis Prima und was für Sinn hat solcherart Rechnug für die Gemeinschaft der "Eingeweihten"?
Auf einer anderen Stelle (andresius.pise.cz/504-zeit-und-kulturen.html) haben wir uns mit der allgemeinen Bedeutung von Zeit und Zeitablauf für die antike und mittelalterliche Gemeinschaft beschäftigt, deshalb werden wir die da eingeführten Schlussfolgerungen nicht wiederholen. Hier muß uns zu konstatieren genügen, daß für den Mittelalter die Zeit viel bedeutsamer als für die Antike ist, und das nämlich deshalb, dass man sehr dringend ihre Kürze vor dem sich nähenden Jüngsten Tag wahrnimmt. Und das sich wiederkehrt in brennender Not die Zeit (die so wenig ist) nicht zu verschwenden, sondern sie in der bestmöglichen Weise auszunutzen.
Diejenige, die in der Welt des Mittelalters sich um die Vollkommenheit bemühen und dadurch zu Treibfeder der Entwicklung werden - im Sinne des Denkens wie auch der Moral, sind im Westen wie auch im Osten die Mönche. Nur der Standpunkt der östlichen und westlichen Mönche erweist vom Anfang Unterschiedlichkeiten. Während in dem Osten sich immer Tendenzen wiederholen zu unablässigem Gebet , das ist praktisch zum Verleugnen der Welt und seiner Zeit und zu einer gewissen Nachahmung und Annäherung zur Himmelreich, obwohl in der Unvollkommenheit des Irdischen; am Westen findet man solche Neigungen nur sehr selten. Die westlichen Mönche - sicher unter starkem Einfluß Benedikts - suchen immer ihre Zeit in der vorbestimmten Proportion ins Gebet und Arbeit zu teilen. In dem Kloster soll sich alles nach der Regula, also Regel richten. Und so ist auch festgelegt, wann, in welcher Stunden die Mönche sich einem (gemeinsamen) Gebet widmen sollen und welche Zeit der Arbeit gehört. Diese sogenannte kanonische Stunden muß man befolgen. Und weshalb sie ziemlich viele sind, verlauft alles Leben ihnen gemäß – sie sind es, was den Mönchen die Zeit bestimmt.
Die gemeinsame Zeif beginnt also längst vor Morgendämmerung, etwa um drei, wann die Mönchem gemeinsam sogenannte Matutinum, oder auch Vigiliae rezitieren. Sie sind dazu durch das Wort des Psalmendichters ermahnt worden, der (Ps 57, 9 = 108,7) den Morgenstern erwecken will. Es dauert sehr lang - aber – in der Finsternis, also blind kann man sowieso nicht arbeiten. Danach kommen die Laudes, wodurch man schon an die Schwelle des Tages kommt. Beim Tagesanbruch und unter den ersten Tagesstrahlen folgt danach die Prima,und erst nach sie fingt der Profane Tag mit Frühstück und Tagesbeschaffungen an. Die werden aber noch dreimal über den Tag durch drei kurze Gebete die Terz, die Sexte und die None unterbrochen, also etwa mittendurch Vormittags, am Mittag und un frühem Nachmittag1. Das ursprüngliche Abendgebet sind die Vesper (vesperae), die jedoch in manchen Klostern auf ziemlich früh , auf frühen Nachmittag aufgeschoben sind.2 Das Abendbrot ist entweder schon vor ihnen, oder unmittelbar befolgt. Wenn wir nun die aufgeführten Gebete aufzahlen, wir bekommen die Zahl von sieben. Auch das hat seinen Grund in den Psalmen. Im Psalm 118 (118,164) ist geschrieben: Ich lobe dich des Tages siebenmal. Nun aber weshalb es gebührt sich nicht für einen Mönch nur so, ohne jeglichen Gebet sich ins Schlaf rutschen, es wird noch nicht lang nach dem Abendessen der Komplett, completorium3beigefügt, danach die Mönche für ein Paar Stunden hinlegen dürfen.
So eine kunstvoll konstruierte Tagesordnung zu befolgen ist ziemlich verwickelt, aber für grosse Kloster mit hunderte Mönche ist es eine Notwendigkeit.4 Das erstmalige Signalzeichen für alle war selbstverständig die Glocke, die jedoch durch jemands Arme ins Schwingen gebracht werden muss. Damit der Brüder Hebdomadarius, der an der entsprechenden Woche die Tagesordnung in dem Koloster zu überwachen beauftragt ist, die Tages- oder Nachtzeit und –stunde recht bestimmen kann, er sagt in der Zwischenzeit die Psalmen her. Es ist das gleiche Prinzip wie bei Sand- oder Wasseruhr – die Zeit wird an Abschnitte bekannter Länge gemessen – aber es ist viel billiger: Glas und Handwerksstücke in genere sind teuer und das menschliche Erinnerungsvermögen kostet nichts und ist praktisch unbegrenzt.
Trotzdem auch hier sieht man im Spätmittelalter eine Tendention die menschliche Unzulänglichkeit mit etwas Vollkommener, Mechanischem zu ersetzen – das ist mit einem nach den Prinzipen der Mathematik konstruirten Mechanismus, der die vollkommene Harmonie des Alls wiederspiegeln wird. Die epoche der Kreuzzüge und der Dombauten schiebt auch Menschensgeschicklichkeit vor, und so es taucht irgendwo in Klostern eine überraschende Neuheit auf - rundförmige Horologien , von denen man die Zeit ablesen kann, und die in dem bestimmten Augenblick selbst die Glocke (mit der Kraft eines Gewichts) betätigen – jawohl, es sind die Uhren.
Es ist wunderlich, daß bei allem sogfaltigen Fleiß, den die Mönchengemeinschaften dem täglichen und jahrlichen Zeitablauf widmeten, waren sie praktisch unempfindlich zu dem Vergehen der Zeit in grösseren Abschnitten – dem Annalschreiben, oder sogar den Weltgeschichten sich zu widmen gehörte gar nichts zu den üblichen Tätigkeiten der Mönche. Sie wurden nur ab und zu von außergewöhnlich gebildeten Individualitäten betrieben. Und auch dabei haben sie oft – besonders im Frühmittelalter – um ganze dekaden geirrt. Das gehört zu dem Weltbild de Mittelalters, das fest gegeben und bewegungslos ist. Die Entstehung Verbesserungsbewegungen im Rahmen der Kirche oder die Ruf nach einer reformatio (der seit Ende 14-en oder Begin der 15-en Jahrhundert mit wechselnden Intensität in Bettelsorden erschallt), die Suchen nach Modernität (Die erste kam in der zweiten Hälfte des 14-en Jahrhunderts), das sind schon Zeichen des Untergangs des Mittelalters.
Wir haben gesagt am Anfang, daß für das Mittelalter hat die Zeit auch deshalb so große Bedeutung, daß alles sich nach dem Tode und dem jüngstem Gericht richtet. Der erste verschliesst die Lebenszeit eizelnes Menschens, das andere der Ganzen Welt. Diese Ideen standen so nahe zueinander, daß ihre Symbole vertauscht worden sind. Der alte Greis Saturnus (ursprünglich Chronos), der Säende und mit einem Sichel Mähende wurde liegenlassen, und der Tod hat seine Attributen erhalten – die Uhr und die Sense. Die Uhr blieb von der alten Typus, der Symbol wurde nicht innoviert; nur das Werkzeug, damit der Tod die Seelen anhäuft hat einen modernen Gestalt bekommen, denn die Sense ist eine erst zum Hochmittelalter gehörende technische Innovation .
Den ursprünglichen Text findet man an andresius.pise.cz/193-cas-a-mnisi.html
1 KLEINE STUNDEN (tagsüber)
Die kleine Stunden waren ursprünglich drei: vormittags (oder "um der dritter Stunde" - was erinnert uns an die altertümliche Zeitbestimmung, wie wir es bspw. aus der Passionsgeschichte nach Johannes kennen), am Mittag (="um der sechsten Stunde"), und nachmittags (="um der neunten Stunde"), was lateinisch eigentlich tertia, sexta und nona klingt. Indessen da die Morgenstuden (Matutinum und Laudes) fingen später sehr früh an, es wurde zwischen sie und das Vormittagsgebet noch sogenannte Prima eingeschoben, damit die Mönche am Morgen nicht faullenzen. Der Zweite vatikanische Konzil hat jedoch alle diese Stunden afgehoben und in einem Gebet "Tagsüber" zusemmengefügt, doch hat bei ihnen die Möglichkeit beibehalten sie dreimal zu sprechen, wie es früher war, und wie es manche Mönchengruppen bisher tun. Diese Stunden haben nur einen ganz kurzen Hymnus und von ein bis drei Psalmen.
2 DIE VESPER UND IHRE STRUKTUR
Die Vesper sind das abendgebet der Kirche und haben vielleicht den feierlichste Chrakter von allen Stunden. Sie bestanden ursprünglich aus variablem Zahl von Psalmen, in der nachtiridentinischen Zeit hat sich ihre Menge an fünf stabilisiert. Die Psalmen leiten das Gebet ein, dann folgt eine sehr kurze Schriftlesung (nur ein Paar Versen), ein dichterischer Hymnus (eine strofische komposition auf nichtbiblischen Text), und das Gebet gipfelt in dem Marienlobgesang Magnificat. Danach folgt nur ein kurzes Schlussgebet. Doch oft werden die Vesper durch verschiedenen Schlußgesänge erweitert. Zu solchen Zweck kann man Antiphonen zur Mariensehre wählen, doch in dem Prager Dom sie sind regelmäßig die zwei älteste Tschechische Lieder ( Hospodine pomiluj ny und Svatý Václave), wobei ein feierliche Umzug sich begebt in die Wenzelskapelle und zurück in die Saktristei.
3DERkOMPLETTor Schalefengehen
Der Komplet ist die letzte Stunde des Tages, die den ganzen Zyklus vershließt. Sie ist sehr kurz, nur aus einem Psalm bestehend, aber im Unterschied zu den Tagesstunden sie sich auch– wie die großen Sunden - Laudes und Vesper - mit einem (kurzen) evangelischen Lobgesang abschließt. Ein typischer Psalm des Completoriums (die wird immer am Sonntag rezitiert) ist der 90-ste Psalm, den wir hier anführen können darum, dass wir die Stimmung illustrieren wollen, die diese Stunde trägt, und auch darum, dass wir die Länge einer Einheit zeigen möchten, die zum Zeitmessen vor dem Kommen der Uhren dienen konnte. Lateinisch es klingt:
Qui habitat in adiutorio Altissimi
in protectione Dei caeli commorabitur.
Dicet Deo susceptor meus es et refugium meum
Deus meus sperabo in eum
Quoniam ipse liberabit te de laqueo venantium
et a verbo aspero.
Scuto circumdabit te veritas eius
at non timebis a timore nocturno.
A sagitta volante in die
et a negotio perambulante in tenebris
ab incursu et daemonio meridiano.
Cadent a latere tuo mille
et decem milia dextris tuis,
ad te autem non approximabit
Verumtamen oculis tuis considerabis
et retiributionem peccatorum videbis.
Quoniam tu es Domine spes mea
Altissimum posuisti refugium tuum
Non accedet ad te malum
et flagellum non approximabit tabernaculo tuo
Quoniam angelis tuis mandavit de te
ut custodiant in omnibus viis tuis
Super aspidem et basiliscum ambulabis
et conculcabis leonem et draconem.
Quoniam in me speravit liberabo eum
protegam eum quoniam cognovit nomen meum.
Clamabit ad me et ego exaudiam eum
cum ipso sum in tribulatione
eripiam eum et glorificabo eum.
Longitudine dierum replebo eum
et ostendam illi salutare meum.
Und weil heute ist schon notwendig lateinische Texte zu übersetzen – die Übersetzung.
Psalm 91
Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt
und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,
2 der spricht zu dem HERRN:
Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
3 Denn er errettet dich vom Strick des Jägers
und von der schädlichen Pestilenz.
4 Er wird dich mit seinen Fittichen decken,
und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln.
Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,
5 daß du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht,
vor den Pfeilen, die des Tages fliegen,
6 vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht,
vor der Seuche, die im Mittage verderbt.
7 Ob tausend fallen zu deiner Seite
und zehntausend zu deiner Rechten, s
o wird es doch dich nicht treffen.
8 Ja du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen
und schauen, wie den Gottlosen vergolten wird.
9 Denn der HERR ist deine Zuversicht;
der Höchste ist deine Zuflucht.
10 Es wird dir kein Übel begegnen,
und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen.
11 Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir,
daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
12 daß sie dich auf Händen tragen
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. 1
3 Auf Löwen und Ottern wirst du gehen,
und treten auf junge Löwen und Drachen.
14 "Er begehrt mein, so will ich ihm aushelfen;
er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.
15 Er ruft mich an, so will ich ihn erhören;
ich bin bei ihm in der Not;
ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.
16 Ich will ihn sättigen mit langem Leben
und will ihm zeigen mein Heil."
Es ist ganz gut möglich, dass es gerade dieser Psalm war, den in dem Nacht die wachende Mitglieder der Mönchengemeinschaft sprachen, die Zeit zum Tagesanbruch messend, und die Andere zu wecken sich bereitend; es war ein von den letzten Psalmen des Tages und es musste sicher ihnen in den Ohren klingen, während die Andere waren schon in ihre Zellen hingegangen waren.
Der Komplett wird (vor dem Schlußgebet) durch einen wunderschönen kurzen biblischen Hymnus aus Lukasevangelium abgeschlosssen. Nach dem lateinischen Inzipit pflegt man ihn Nunc dimittis zu nennen. Es wird am Ende des zweiten Kapitels von Simeon ausgesprochen, einem Greis, der in dem kleinen Jesukind den Messias erkennt.
29 HERR, nun läßt du deinen Diener in Frieden fahren,
wie du gesagt hast;
30 denn meine Augen
haben deinen Heiland gesehen,
31 welchen du bereitest hast
vor allen Völkern,
32 ein Licht, zu erleuchten die Heiden,
und zum Preis deines Volkes Israel.
4 Das Stundengebet war nie eine ausgesprochen öffentliche Gelegenheit. Wir haben allerdings Berichte schon aus dem 5-ten Jhdt, nämlich über Johannes Chrysostomos, dass er ähnliche Nachtgebeten auch für die Laien angeleitet hat. Gleichwohl umfangreichere Ausweitung des Stundengebets unter die Laien, und Sonderausgaben von Breviarien für die Laien fällt erst in die Nachkonzile Zeit hinzu, in unserem Lande dann erst nach der Öffnung der Grenze zu der freien Welt. Jedoch vor der Wende waren hier schon gewisse Versuche. Die Dominikaner haben das ganze Breviar – selbstverständlich illegal – früher (und Manche sagen, dass auch besser) übersetzt, als die offizielle Übersetzung erschien, und sofort begannen sie es zu benutzen. Bei st.Aegidius in Prag wurde das Komplett zm Beispiel immer, am Feiern- wie auch Wochentagen nach der Abendmesse in eine abgesonderte Kapelle rezitiert, wohin man dur eine separate Tür Eingang machte, also in einer halböffentlicher Weise.