Die Bedeutung von Aion in der Gnosis II

31. červenec 2019 | 21.21 |
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Die Bedeutung von Aion in der Gnosis II

Der erste Teil befindet sich unter: andresius.pise.cz/583-die-bedeutung-von-aion-in-der-gnosis.html

Wenn wir uns dem gnostischen Begriff von Aion nähern wollen, es hindert uns in besonderem die riesige Zeitspanne zwischen uns und der Welt des Späthellenismus, aber auch einige moderne Vorstellungen und Vorurteile. Wenn wir die bloße Tatsache vorübergehen, dass der moderne Mensch Schwierigkeiten mit Begreifen jedweden Wesen hat, die nicht Fleisch und Blut wären, und dass ganze Religionsgeschichte als ihre Gegenstand etwas hat, was die moderne Welt als praktisch nicht-seiende dafürhaltet, schon die moderne Auffassung von (Raum und) Zeit präsentiert eine Hindernis im Verstehen nicht nur für einem Laie, sondern auch für einem gelehrtem Forscher. Der moderne Mensch hat die Tendenz die Zeit mitgesamt dem Raum in eines raumzeitlichen Universum zu objektivieren, das im Grunde nicht nur auf dem Menschen, sondern auf allen anderen physikalischen wie auch außerphysikalischen Gegebenheiten unabhängig und diesen allen überordnet sei. Jedwedes Weltgeschehen, jedwede Wesenheit darin, und natürlich auch alle Lebewesen, sogar selbst die Welt[1] sind nur Teile von dieser homogenen Raumzeit, ohne dessen sie überhaupt nicht existieren könnten. Der moderne Mensch dabei ganz übergeht die Tatsache, dass mindestens die Zeit, wenn auch nicht das Raum, wird von dem subjektiven Erlebnis des Menschen konstituiert, und nämlich nicht nur was betrifft ihr Quantität sondern auch Qualität. Nicht nur, dass oft empfindet man die Zeit kurz "wie einen Blitz", oder als "eine Langweile", sondern die Zeit ist für unserem Erleben auch schwer, traurig, traumversunken, froh, ruhig und noch vielerlei andere.Und es geht dabei um mehr als um die Redewendung, womit man behauptet, dass er oder sie letztlich Ereignisse von einem solchen oder anderen Charakter erlebt habe. Nimmt man z.B. eine Redewendung: "wundersame Zeit"; dadurch wird gemeint nicht nur, dass man Ereignisse von entsprechender Art erlebt, sonder auch das es gibt dabei etwas wie eine sinnvolle Verkettung von denen, und gerade diese Verkettung einen Hintergrund, ein Beigeschmack, eine Nische und oft ein Mittel von eigenen Individuation ausmacht. Solches Zeiterlebnis ist viel "lebendiger" als die offizielle und objektive überweltliche Zeit der Wissenshaft.

0pt;font-family:"Times New Roman CE","serif";Times New Roman CE";Times New Roman CE";">Aber um mindestens von weitem dem gnostischen Begriff des Aion  näherzukommen, brauchen wir noch einen Schritt zu machen und dabei auch einen anderen Zug des modernen Denkens zu entdecken. Der größte Beitrag der Modernität liegt darin, dass erst sie hat in rechtem Sinne menschliche Individualität geboren. In vormodernen Epochen war nicht nur das Verhalten des Menschenund sein Lebensart, sondern auch sein Empfinden viel mehr von überindividuellen, vielleicht angestammten, kollektiven Mustern abhängig. Solcherweise musste auch kollektives Zeitempfinden in vergangenen Epochen viel stärker sein, als heute, wann uns davon nur blasse, doch aber doch wahrnehmbare Spuren bleiben.[2]. Und wir haben schon gesehen, dass es ziemlich oft ein Zusammenhang zwischen einem gnostischem Aion und einer entsprechenden Generation (meist. genea) gibt.

Durch solche Erwägungen können wir vielleicht geführt werden zur Einsicht über die seltsame Zeitsphärenpluralität, die sich so ausprägend gerade in der Gnosis erwiesen hat.: Jede Zeitbestimmung setzt eine Zeitlichkeit voraus; aber diese gehört jeder von der Welten einzelnweise. Anderes Zeitalter - andere Tagen; jedem von den Weltordnungen entspricht eine andere Gleiche der Tagen, die der Artung ihrer Ewigkeit zukommt. So spricht Zdeněk Neubauer in einem von seinen Essays.[3] Zu der philosophisch stark relevanten Bemerkung,dass die Weltordnung (und unzweideutig ist hier eine spezifische Weltordnung, nämlich einer von den ganzen Reihe von pluralitären Welten gemeint) ist bzw. meint (auch) ihr spezifische Ewigkeit, sollte nur darauf hingewiesen werden, das Ewigkeit die wortgetreue Übersetzung des lateinischen aeternitas (eine Eigenschaftsableitung von aetas - Zeitalter) ist, und es ist gerade der Termin, dadurch ins Lateinischem der griechische aiwn übersetzt wurde.

Die Entfaltung von diesem Begriff wie auch den daran angeknüpften religiös-philosophischen Vorstellungen hat mit Einbeziehung praktisch aller älteren Literatur in seinem Aufsatz From Hellenistic Aion to gnostic Aiones[4]Giovanni Casadio trefflich aufgezeichnet. Casadios Hauptinteresse ist, wie darf sich der Übergang von der in Quellen nachgewiesen hellenistischen, teilweise schon Mysteriengottheit Aivwn, zu der Menge von gnostischen Äonen klarmachen. Die Evolution des Begriffes von aivwn von der ältestenPhasen verfolgend muß man feststellen, daß er in der archaischen Ära eine wesentlich unterschiedene Bedeutung hatte. In dem homerischem Schichte sollte er – nach Casadio - eher vitality als lifetime meinen[5], und bezog sich mehr zu den Personeneigenschaften (bzw. eines Heros). Bei Herakeitos und Pindaros hat dieser Ausdruck auch gewisse mystical nuances converging in the demonic and fatal sphere[6]. Das ist schon bemerkenswert. Wir wissen, daß in praktisch dem gleichen Zeitalter hat Sokrates ein daimonion, das ihm mit der zeitübersteigenden (Z.B. würde sicher hier ewiger sagen) Welt der Begriffe.

Für die weitere Entwickelung des Begriffes aivwn ist immerhin prinzipiell die oft zitierte Stelle aus Plato Timaios (37D-38C)[7], die seine Auslegung der ontologischen Enstehung der Zeit enthält. Darin differenziert Plato zwischen dem Chronos, was ein "Bewegungsbild" (eikon kinetos) sei, und seinem unbeweglichen (in to hen bestehenden) Vorbild, das gerade Aion ist. So kann man schließen, dass der Aion etwas wie Idee der Zeit (die Zeit ist eine aisthetische Größe) bzw. die Zeitlichkeit sein könnte.

Es ist nicht klar, ob Plato bei der Einführung von dieser Terminologie auf ein schon existierendes aber gegenüber dem archaischen Brauch schon geändertes Usus gefußt hat, oder es bei Plato um eine neue philosophische Nutzung von diesem Wort handelt, die in der allgemeinen Sprechweise eine andere Meinung hatte. Nichtsdestoweniger ist der Bedeutungsvorschub sehr markant. Sofern Plato hier den Aion irgendwohin in die Welt der in Wahrheit seiender und so auch ständig bleibender Urbilder gesetzt hat, hat er ihn dadurch schon der Bedeutung nahegebracht, die später in dem christlichen Zeitalter überwog, nämlich Ewigkeit. In dieser Linie stehend, bemerkt konsequenterweise auch Plutarch, ein hervorragende Vertreter des Mittelplatonismus, dass der Gott nur in dem Aion, nicht in dem Chronos sei, was man gut deuten kann, dass Gott in der unwandelbaren Ewigkeit stehe.[8] In den christlichen und jüdischen Texten des Spätaltertums wird Aion nicht ohne Zweideutigkeit benutzt - die Meinung schwankt zwischen Zeitalter und Ewigkeit, worin man sicher ein starker Einfluss des spezifisch jüdischen Termin olam spüren kann. Noch in Einem ist das jüdische Denken interessant, weil in der jüdischen Apokalyptik zum ersten mal zum Ausdruck kommt gewisse "Verteilung der Zeiten", und zwar in zwei Zeitalter - diesen und den Kommenden olam haze und olam habbaund notwendigerweise hier der Aion-Olam  auch die Welt bedeutet. Und manchmal in dieser Zeit taucht auf auch jene rätselhafte Gottheit AivwnCasadio (nach Zuntz[9]) führt an[10], dass dieser Gott Aivwneine spät-hellenistische aus Alexandrien stammende Transformation von dem Ägyptischen Osiris/Sarapis sein könnte, und dass in dieser Spätphase der Attribut aivwn nichts mehr als Gott, göttlich meinte. Weiter registriert der Aufsatz eine ständige Vermehrung von Äonen  in dem zeitgenössischen Schrifttum: Etwa zwanzig male in den Ägyptischen magischen Papyri aus den 1.-4. Jhdt. n. Chr, wo als eine Apollo- oder Ra/Helios- Gottheit gedeutet werden kann[11]. Für das 13-te Chaldäische Orakel ist der Äon ein grenzenloser (aplhtoj) stets bewegender Feuer über der Himmelsgewölbe, der sich aber gleichzeitig mit und unter anderen Äonen bewegt, und für die Himmelsmächte unsichtbar ist.[12] Gut platonisch klingt die Stelle aus CH XI,2 aus, wo Gott den aivwn (hier vielleicht schon die Ewigkeit, oder auch die Zeitalter)schafft und dieser die (himmlische) Welt (kosmoj), diese weiter die Zeit (cronoj), welche die Geburt (genesij) gewährt. Man findet da schon auch eine typische gnostische Aufweisung vor: Werde wie Gott ewig (aivwn) und du wirst den Gott begreifen! In der lateinischen Übersetzung des Asclepius befindet sich schon direkt aeternitas.

Mit der Gnosis beschafft sich der Autor nur am Schluss des Aufsatzes. Auch er weist darauf auf, dass in der Gnosis die Äonen eine Raumdimension haben können, und dass sie auch den Charakter von einen Person zu haben pflegen. Davon wird eine relevante Frage abgeleitet, nämlich ob und wieweit die Äonen mit anderen Entitäten in Zusammenhang stehen, vorerst mit den Engeln. Der Begriff von Äon in der Gnosis wirklich eine unscharfe Grenze gegenüber Angelos oder Archon hat.[13] Und sehr richtig führt er an, dass in der hellenistischer Welt die Engel oft einen Charakter von Theophanien aufweisen. [14]

Insofern ist Casadios Interpretation kompakt und wertvoll. Was dagegen in Dunkelheit bleibt, ist der Ursprung von jener hellenistischen Aion-Gottheit. Casadio stellt nicht die Frage, wie eine Entwickelung von einer unpersönlichen Wesenheit aivwn, zu einem persönlichem, sogar göttlichem Aivwn möglich war. Ich bin der Auffassung, das es reicht nicht darauf aufzuweisen, dass diese Wandlung ist einmal in der hellenistischen Ära geschehen und die Gnosis dann nur vervielfachte die ursprüngliche einzelne Gottheit zu mehreren Kleingottheiten. Solche Auffassung weißt die Züge einer bloßen religionsgeschichtlichhaften Wahrnehmung der Gnosis auf. Die Gnosis allerdings immer war oder mindestens wollte sein auch eine religionsphilosophische Reflexion und eine rechtschaffene Auslegung sollte diese Bestrebung die im Grunde von Gnosis liegt ernst nehmen. In unserem Fall bedeutet es, dass die Pluralität von den Äonen in der Gnosis einen Sinn haben muß, und diesen Sinn es ist notwendig zu erforschen. Der Weg, wodurch der moderne Denker zu gewisser Verständnis für die Zeit- bzw. Zeitalterpluralität, wurde schon am Anfang dieses Aufsatzes angedeutet. Was bleibt übrig, ist aufzuzeigen, wie solche Konzepte in der Gnosis entwickelt haben können und dazu die Nachweise zu bringen. Und gerade dazu können Casadios Folgerungen sehr wertvoll sein. Den Urbeginn des Konzepts in dem homerischen durch Lebenskraft durchdrungenen Aion zu sehen muß gar nicht schlecht sein. Und Vitalität schließt die Fortdauer natürlich nicht aus, vielmehr fördert sie. Eine durch angemessene Natur- bzw. Pflanzensymbolik ausgedrückte Vitalität zeichnet noch die Vergils aurea aetas aus. Aber der kräftigste Feind der Fortdauer ist - die Zeit.

The thing all things devours;
Birds, beasts, trees, flowers;
Gnaws Iron, bites steel;
Grinds hard stones to meal;
Slays King, ruins town,
and beats high mountain down.

So spricht Gollum in einem nicht unbedeutsamen modernen Mythos. Allerdings das Durchleben von Dauer ist für unsere Erfahrung nur möglich in der Zeit (der realen, konsekutiver Chronos-Zeit). Das ist ein von den Grundparadoxen der Menschenexistenz. Solche Kontradiktion wurde wahrscheinlich schon sehr früh gespürt. Etwa in der Hälfte des 19. Jahrhunderts, das ist in der Zeit, wann schon für zweihundert Jahren eine pur räumliche Auffassung von dem Universum und Menschen etabliert wurde und wann das Sein nichts mehr als Vorhandensein im Raum, vom welchem man spekuliert nicht, sondern es ist gegeben, festgestellt und vorausgesetzt, bedeutet, beginnen sich die Wissenschaftler, an Spitze mit den Mathematikern, in solchem Raum zusammengepresst zu fühlen und fingen an auch andere Arten der Räumlichkeit zu konstruieren, die anderen, manchmal recht "fantastischen" Weltvorstellungen entsprachen. Die Entwicklung traf schließlich bis zu biologischen Nichés und der Entdeckung des Phänomenologisches Horizonts ein, die beide eine radikal andere Weltbestimmung gegenüber die (euklidisch-kartesianischen) Raum repräsentieren.

Wenn also der moderne bisweilen sosehr in der bestehenden Raumauffassung festgehaltene Mensch soweit die Raum zu zersprengen, de- und rekonstruiren zustande war, ist es nicht möglich, dass schon der antike Mensch Ähnliches mit der Größe gemacht hätte, die er als die am meisten bindend und verhängnisvoll verspürte, nämlich mit der Zeit? Das ist vielleicht eine zu kühne Analogie, aber aus meisten gnostischem Schriften spürt man, dass die Gnostiker "ein Anderes der Zeit" suchten – sowieso die Mathematiker des 19. Jahrhunderts sich zu "einem Anderen der Raum" wandten, wann ihnen die Euklidische Raum zu enge Grenze setzte. Was für Schlüsse können wir ziehen und wie werden sie die konkrete Frage nach "zweierlei Äonen", die unseres Fragen stimulierte, erleuchten? Lassen uns erst erst die Tatsachen rekapitulieren: Diese Stichproberecherche hat uns überzeugt, dass etwa eine Hälfte von gnostischen Aussagen über Äonen etwas wie eine Person meint, dass eine Drittel kann unter Äonen etwas wie Zeitalter sehen und dass diese zwei Mengen sich etwa in zehn Prozenten von der Gesamtanzahl überlappen. In späteren Phasen der Gnosis werden Äonen meistens als Personen oder Engel angesehen; dabei aber wird Äon auch in profanem Sinne mit der Bedeutung Zeitalter, oder auch Ewigkeit benutzt. Bei meisten gnostischen Schriften aber spürt man bei diesem Termin Bedeutungsspannung und Mehrdeutigkeit.

Auf diesem Anlass schließe ich, das wir müssen die gnostische Äonen nicht - wie Casadio - von einer Äon-Gottheit Ableiten, sonder dass eine Pluralität von Zeit(alter) war ein Phänomen, das in dem Hellenismus und auch in der Jüdischen Apokalyptik ziemlich stark gegenwärtig war (vgl. z.B. Nabuchodonosors Traum aus Dan 2,1-45). Eine Beeinflussung der gnostischen Vorstellungen durch die alexandrinische Aivwn-Gottheit ist allerdings nicht ausgeschlossen, umso mehr, dass Alexandrien als eine von den wichtigsten Brutstätten der Gnosis und gnostischen Vorstellungen gilt. Wie stark aber diese Einfluss war ist ohne weiteres nicht möglich festzustellen. Als vorstellbar jedoch gilt mir der folgende Gedankengang: Die singuläre Aion-Gottheit, dieser fremdartige Zeitgott, der gleichwohl ein Gott der ewigen Jugend war i) hat in bestimmtem Masse auch Zeitbedeutung bewahren ii) war fähig zu und auch wirklich weitere "niedrige" Aionen gezeugt/emaniert/generiert hatte, als seine "Kinder" - kleinere Kopien. Ob und wieweit solche Hypothese plausibel, ist, könnte nur weitere Forschung von solchen Fällen in der gnostischen Literatur aufhellen, wo über einen großen Aion, der irgendwie andere Aionen zeugt oder schafft, die Rede ist.

Ich bin also überzeugt, dass wenn man die seltsame entdeckte Mehrdeutigkeit des Aions in der Gnosis erörtern will, es ist nicht notwendig durch den Umweg von einer hellenistischen Aion-Gottheit es zu tun.[15] Die Personifikation des Aion - eines (ewigen) Vorbilds der Zeit, die die Gewalt der Vitalität und Regeneration hat - war nicht eine notwendige Voraussetzung für seine Vervielfältigung und Prokreation, sondern der Fortgang konnte gar umgekehrt sein: Eine Pluralität von Zeit(alter)n war in der Epochen um die Jahrtausendwende etwas spontan, wiewohl unbewusst Erlebtes. Dass sich später geistige Strömungen befunden haben, die solches Empfinden auch reflektierten und es anhand eines neuen spezifischen Begriffs - des Äons zu erläutern versuchten, ist keineswegs unlogisch oder fantastisch. Natürlich es ist leicht erstaunlich, dass diese Zeitbildungen, die ursprünglich vielleicht etwas wie Phasen oder Aufenthalte von dem göttlichen kosmogonischen Prozess meinten, oft Personalzüge gewinnen und sogar Namen erhalten. Wir haben doch festgestellt, dass diese uralte stets sich erneuernde Jugendlichkeit, die in archaischen Zeiten aion genannt wurde, ist immer lebhaft und eine Tendenz zu Befreiung oder sogar Individuation hat. Der zweite Grund für Personifikation solchen Zeit- oder Lebensgrößen kann sein, dass Leute fühlten sich diesen Zeitsphären unterstellt worden als Aspekten oder Bruchstücken des unergründlichen Schicksals - der  Heimarmene. Und wenn man die Schicksalsschere tagen muss, es ist leichter das, wem wir unterstellt sind, zu personifizieren. Etwas solches natürlich schreitet weit über die Rahmen der Philosophie in die Richtung der Religion; die Gnosis aber nie aspirierte reine Philosophie zu sein und insoweit ist dieser Schritt konsequent. Unsere Verständnislosigkeit dafür ist auch dadurch gegeben, dass die Christenheit hat einen ganz anderen Weg in dieser Frage angetreten und hat solchen "dämonischen Mächten" Persönlichkeit immer energisch abgestritten.[16]

Um zu der einleitenden Frage sich zurückzukehren: Was können wir jetzt mehr als am Anfang über die doppelte Äonen aus z TrimPt NHC XIII,1/ 40,4-7 sagen? Die Äonen aus TrimPt haben zwar meistens starke personale Züge, jedoch wird ihre Zeit- und vielleicht auch Raumbedeutung mancherorts erhalten. Die Möglichkeit, dass der Große Daimon bzw. Archigenetor aus der TrimPt ganze parallele böse Welten/Zeitalter erschaffen würde, kann weder widerlegen noch bestätigen werden. Es ist aus der Text der TrimPt klar, dass der Archigenetor gegenüber den Lichtmächten und dem Logos nur mit begrenzten Macht disponiert, und sein Schaffen muss also irgendwie defizient sein. Die Gesamterfahrung mit der Gnosis und gnostischem Motiven aber spricht eher dafür, dass derartige "entartete niedrige emanierte Wesen" gerade die Tendenz aufweisen, in der Materie und in der physischen und psychischen Welt sich zu manifestieren, die beide auch die Aspekte von Geräumigkeit und Zeit haben. Die Frage also bleibt offen.

Zum Schluss ich möchte bemerken, dass die vorliegende Arbeit schon dank dem gewählten methodischen Vorfahren nur eine fragmentarische Abhandlung des gewählten Themas bleiben muss. Das Thema ist natürlich so dunkel, dass es wäre dringend einer monografischen Arbeit dazu nötig, wie sich dafür schon vor 30 Jahren für den römischen Raum Zuntz[17]versucht hat, die das gesamte gnostische Schrifttum berücksichtigen würde, und Meinung von Aion in einzelnen gnostischen Schriften einschätzte, eventuell Gruppen von Schriften zu bestimmen versuchen würde, deren Aion-Auffassung stimmt überein. Das ist nun aber weiterer Forschung vorbehalten.


Abkürzungen

NHC – Das Nag Hammadi Corpus; Gesamtausgabe z.B Robinson, J. M, Pearson B. A. The Coptic Gnostic Library: complete edition of Nag Hammadi Codices. , Leiden: Brill, 2000; od. SCHENKE, Hans-Martin, Hans-Gebhard BETHGE a Ursula Ulrike KAISER. Nag Hammadi Deutsch[online]. Berlin: Walter de Gruyter, 2003

ValExp                         = NHC XI/2 (Die valentinische Auslegung)

TrTrip              = NHC I/5 (Dreiteiliges Traktat)

ApAdam          = NHC V/5 (Die Apokalypse des Adam)

Noema             = NHC VI/4 (Die Erklärung unserer grossen Kraft)

TrimPt             = NHC XIII/1 (Die dreigestaltige Protennoia)

Jud Tsch - Judasevangelium (Codex Tschacos) ; Ausgabe JENOTT, Lance. The Gospel of Judas: coptic text, translation, and historical interpretation of "The Betrayer's gospel". Tübingen: Mohr Siebeck, 2011
CH – Corpus Hermetisum; Ausgabe z.B TRISMEGISTOS, Hermes a André-Jean FESTUGIÈRE. Corpus Hermeticum. Milano: Bompiani, 2006,

Benutzte Literatur

Crum, W.E. A Coptic Dictionary. Oxford: Clarendon Press, 1939

Markschies, Chr. Valentinus Gnosticus. Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins; Tübingen: J.C.B.Mohr (Paul Siebeck), 1992

Schenke, Gesine. Die dreigestaltige Protennoia (Nag-Hammadi-Codex XIII). Berlin: Akademie-Verlag, 1984

Neubauer, Zdeněk. "Zrod středověku". In O svatém Františku, Praha: Malvern, 2006, 37-58

Casadio, Giovanni. "From Hellenistic Aion to gnostic Aiones". In Religion im Wandel der Kosmologien, Religionswissenschaft 10 , Dieter Zeller (Hrsg.): Peter Lang , str. 175-190

Zuntz, G.: Aion in der Literatur der Kaiserzeit, Wien, 1992



[1]            Das ist meistens der Fall bei modernen Religionen, die schon durch ihr bloßes Wesen, müssen auch etwas wie ausserweltliche Wirklichkeit anerkennen. Die Beziehung von Zeit und Welt ist verwickelt und hat schon seit Altertum die Interesse von vielen Philosophen an sich herangezogen. Für eine Überschau von älteren philosophischen Auffassungen von diesem Thema siehe Marta Cristiani, "Lo spazio e il tempo nell'opera dell'Eriugena" Studi medievali XIV/I, (1973), 39-135

[2]            Dadurch habe ich im Sinne solche Phänomene wie "die Stimmung von Prager Frühling" oder umgekehrt "die Atmosphäre des Kalten Krieges".

[3]            ZdeněkNeubauer. "Zrod středověku", in O svatém Františku,.41f, eigene Übers.

[4]            Giovanni Casadio "From Hellenistic Aion to gnostic Aiones",. 175-190

[5]            ibid. 176

[6]            ibid. 177

[7]            poiei menontoj aiwnoj evn e`ni katV avriqmon ivousan aivwnion eivkona touton o`n dh cronon wvnomakamen

[8]            Giovanni Casadio "From Hellenistic Aion to gnostic Aiones", 177

[9]            G. Zuntz, Aion in der Literatur der Kaiserzeit

[10]          Giovanni Casadio "From Hellenistic Aion to gnostic Aiones", 180

[11]          ibid. 182
[12]          ibid. 182

[13]          Bzw. ApJan 13,5-30;8, 25-26, TP 49,15; EvEg (IV,2) 73,25-27; Zostr 4,26-29;7,19+69

[14]          Giovanni Casadio "From Hellenistic Aion to gnostic Aiones", 186n.

[15] Die Stellung dieser Gottheit in der hellenistischen Religion und ihre Angehörigkeit zu bestimmten Religionsrichtungen bleibt streitbar. Nebst ihre Ägyptische Angehörigkeit wird auch oft als etwas wie eine Mithraische Übergottheit angesehen. Sie wurde bekannt und popularisiert indem ihre angebliche Darstellung - ein Leontokefalos grässliches Aussehens - veröffentlicht wurde. Die Skulptur wird im Gegenwart in Paris (Collection de Clerq) aufbewahren, Reproduktion z. B. Leipoldt, J,, Grundmann, W (edit.): Umwelt des Urchristentums III, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1966, Abb. 122-3; darüber ausführlich Casadio s. 178n. Anm. 15). Ich persönlich bezweifle, dass dieses Leontokefalos eine Darstellung einer "philosophischen" Äon-Gottheit sei. Viel mehr annehmbar scheint mir die Meinung von Zuntz (Aion im Römerreich. Die archäologischen Zeugnisse, Heidelberg 1989, s. 13-17), dass es um eine Darstellung Ahrimans handelt.

[16]  Vgl. Apg 7,42; Rom 8.38 n.; 1Kor 15,24n.;Kol 2,15; am stärksten vielleicht Gal 4,8 ff:Aber zu der Zeit, da ihr Gott nicht erkanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind. Nun ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie wendet ihr euch denn wiederum zu den schwachen und dürftigen Satzungen, welchen ihr von neuem an dienen wollt ? Ihr haltet Tage und Monate und Feste und Jahre. Mehr versöhnlich lautet nur Kol 2,10 und a 2 Pt 2,10/Jud 1,8

[17]  Zuntz, G.: Aion Gott des Römerreichs, Heidelberg, 1989; id. Aion im Römmerreich. Die archaeologischen zeugnisse, Heidelberg 1991; id. Aion in der Literatur der Kaiserzeit, Wien 1992

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