Heterodoxen Strömungen der Reformation - Teil II

19. listopad 2019 | 00.35 |
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Heterodoxen Strömungen der Reformation - Teil II

fortsetzung des Artikels andresius.pise.cz/591-heterodoxen-strmungen-der-reformation-teil-i.html

Antitrinitarier

Es ist wunderlich, dass trotz die massive und globale Unterdrückung Servets und seiner Meinungen hauptsächlich durch die protestantische Welt unter Zustimmung katholischen Inquisitoren, hat er jedoch seine Nachfolger gefunden. Es kann sogar symbolisch wirken, dass einer von seinen künftigen Sympathisanten ist nur ein Tag nach Servets Hinrichtung nach Genf gelangen.1 Viele Zweifler, die wegen des Trinitätsdogma nicht ungetrübt schlafen konnten und früher oder später sich abweichende Meinungen darüber zu formulieren wagten, stammten aus Norditalien. Einerseits existierte da erhebliche Täufertum – bevor es von der Inquisition aufgereibt wurde - anderseits schon der freie Geist des italienischen Humanismus forderte man auf zu kühnen, grüblerischen Fragen. Zahlreiche solcherart freidenkende Italiener flüchteten deshalb vor der Inquisition nach der Schweiz, am ersten Stelle nach Graubünden (Grisons), dar damals eine freie Republik war, und später nach Genf, Basel und anderen schweizerischen Städten. Graubunden ist romanisch und man spricht da ein Paar Mundarten, die nähe zu dem Italienischen sind, destowegen waren alle dortigen protestantischen Gemeinden italienische und hatten italienische Prediger. Aber sehr früh begonnen dank diesen italienischen Emigranten auch Italienische Gemeinden in schweizerischen Städten nördlich von den Alpen zu entstehen, in besonderen in Genf.

Nun darf sich der Weg, wie diese unabhängigen Geister oft an den Rand der protestantischen Welt geraten sind, ganz gut verallgemeinern: Nach der Auswanderung aus Italien kommt erst eine begeisterte Begrüßung mit freundlichen Beziehungen zu den Reformatoren. (Als Magnet für die Neukömmlinge hat hier hauptsächlich Calvin bewirkt.) Danach entsteht ein räges Briefwechsel mit einem oder mehreren von den Reformatoren, während dessen unserer X viele verschiedene Frage stellt; die sind am Anfang geduldig erklärt, später jedoch wird der Fragesteller für den Reformator zu lästig und er bricht den Briefwechsel mit ihm unter. Manchmal wendet sich dann der verweigerte Liberale an einem weiteren Reformator und der Prozess sich wiederholt.

Die Italienischen Emigranten haben sich nur vereinzelt mit diesen Fragen befasst, sondern in den Italienischen Gemeinden gab sich darüber rege Diskussionen. Und das hat gerade den Eingriff der Reformatoren hervorruft. Calvin hat zu einer öffentlichen Debatte aufgefordert, aber gleichzeitig hat er weine Glaubensbekenntnis zum Unterschreiben von jedem Mitglied der Italienischer Gemeinde mitgebracht. Die Italiener protestierten, aber bis auf sechs Personen sich fügten. Unter den sechs Unbeugsamen waren auch der zwei künftigen Exponenten des Antitrinitarianismus: Giorgio Biandrata und Gianpaolo Alciati. Sie wurden ausgewiesen und begaben sich zum ersten nach Zürich, aber gleich danach nach Polen, wo sie zu Gründer einer neuen Antitrinitarischen Kirche wurden. Nach diesem Vorfall hat Calvin nichts mehr dem Zufall anheimgestellt, und hat seine Informatoren und Provokateuren in die Gemeinde eingesetzt. So geschah, dass in ihren Netzen auch ein anderer Sympathisant der liberalen Bewegung steckengeblieben ist,GiovanniValentino Gentile, den hat jedoch ein viel grausameres Schicksal erwartet.

Der nächste Schritt nach dem Entdecken von häretischen Neigungen war regelmäßig den Betroffenen zum Vorlegen eines Glaubensbekenntnises in Schrift aufzufordern, welche später der Forschung und Überprüfung unterlag und auch zu dem Gegenstand von weiterer Debatte wurde. Es gibt nur ein Fall, und nicht in Genf, sondern in Basel bei Bullinger, und es betraf dann Laelio Sozzini, wo dieses Vorgehen nicht zu dem zweitnächsten Schritt führen würde, nämlich zu direkter Persekution; bei Fremdlingen meinte sie meistens Vertreibung aus der Stadt, bei den Stadteinwohner Verbannung oder Verhaftung. Laelio Sozziniwar ein prominenter italienischer Emigrant, der fast alle Welt durchgereist hatte und freundliche Beziehungen zu Calvin, Melanchton, Castellio und Andere hatte, mit denen er auch ausführliche schriftliche Debatten geführt hatte. Angeklagt wurde er auf den Antrieb von Beza, zu welchem haben sich auch italienische Prediger aus Chur (Gallicius), Genf (Martenengo) und Tübingen (Vergerio) angeschlossen. Sozzini, sicher von solchem Inzident genug belehrt, hat sich danach völlig zurückgezogen. Er hat nach Zürich übersiedelt, wo haben sich zu ihm auch sein Bruder und sein Neffe Fausto zugesellt, die beiden aus Italien der annehmenden Verfolgung halber fliehen müssten. Da ist er 1562 gestorben, aber seine reiche Bibliothek, die er auf seinen Reisen angesammelt und um eigene Manuskripte bereichert hat, wurde auch danach verwertet, wie werden wir noch sehen.

Auch Gentile wurde zu einem schriftlichen Bekenntnis aufgefordert und hat dabei den Kardinalfehler begangen, dass er sich mit einem Gegenangriff verteidigen wollte: Calvin lehre Quaternität statt Trinität. So wurde Gentil zum Tode verurteilt und sein Leben hat nur ein einflussreicher Gönner gerettet. Er musste jedoch eine mittelalterlich geartete öffentliche Busse antreten. Danach hart er aus Genf nach Lyon geflüchtet, wo er ein polemisches, gegen Calvins Institution gerichtetes Buch Antidota herausgegeben hat, und später hat sich nach Polen begeben. Aber nach der Verbannung ausländischen Protestanten aus Polen, musste er zurückkehren. Er wurde verhaftet und nach vergeblichen Versuchen ihn zu überzeugen wurde er in Gern enthauptet. Gentile lehrte eine interessante Lehre. Er vertritt nämlich Existenz von drei ewigen Geistern innerhalb einer Gottheit, dessen zwei sind von dem Ersten abgeleitet und ihm unterordnet.

Eine andere zuverlässige Art, wie man auf sich Achtsamkeit beziehen würde und in die Probleme sicherlich geraten ist, war jedwede anerkennende Erwähnung Servets. Solches Schicksal hat auch nur sehr lose mit der Reformation verbundene Personen getroffen, beispielweise gewisse Catarina Coppa aus Ferrara, die die sich auf den Weg nach den Schweiz gemacht hatte um ihren landesflüchtigen Sohn zu suchen. Die hat sich angeblich einer Aussage davon zuschuldigt, dass Servet als Christi Märtyrer gestorben sei und hat sich auch schimpflich über Calvins Verstand und über dortige italienische Kirche ausgesprochen. Sie wurden von dem Rat zu öffentlichem Abschwören und zu Verbannung aus der Stadt verurteilt. Das Solidarisieren mit Servet wurde auch dem damals bei Castellio in Basel weilenden Sozzini vorgeworfen. Am auffallendsten hat sich jedoch solcherweise Matteo Gribaldi eingemischt.

Gribaldi war keiner Exulant und er war auch nicht ein Mitglied der Genfer italienischen Gemeinde. Er stammte aus Torino, aus einem Geschlecht, in welchem hatte sich man schon seit viel Menschenalter juristischem Beruf gewidmet, und dieselbige Lebensbaht hat auch Matteo gewählt. 1548 wurde er zum Professor in Padua. Die Eheschließung hat ihm eine gemäßigte Grundherrschaft in Farges westlich von Genf, jedoch schon in dem Berner Kanton gebracht, und dieses Grundstück pflegte er regelmäßig im Sommer zu besuchen. Im Jahre 1553 hat er bei der Rückreise einen Halt gemacht in Genf, und als er Kenntnis von Servets Fall erhaltet hat, hat er seine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass man wegen seiner Ansichten zum Tode verurteilt werden konnte. So wurde er, eher gegen seinen Wunsch in die Debatte über die Trinität und Gottheit Christi einbezogen. Die Debatte hat aber wahrscheinlich sein Interesse an Servet wachgerufen, denn er hat in folgendem Winter in Padua Servets De Trinitatis erroribusdurchstudiert und hat es seitdem hochgewertet. Nun konnte Calvin nicht mehr das Diskussionsangebot verweigern, wie er es des vorangehenden Jahres getan hatte.2 Als aber Calvin vor dem Beginn der Dispute ihm die Hand nicht reichen wollte, hat er von ihm nichts mehr als Adieu, messieurs gehört, mit dem Gribaldi den Raum verließ. Danach versuchte Calvin gegen ihn ein Strafverfahren einzuleiten und ihn zu verhaften, aber der Rat hat ihn als einen Fremden freigelassen.

Gribaldi wollte jedoch jenes Jahres nicht mehr nach Padua zurückkehren; der italienische Boden wurde immer unsicherer für unabhängige Denker. Er hat stattdessen die Einladung zu der Universität Tübingen angenommen. Unterwegs verweilte er bei Bullinger in Zürich, der ihn vor Verbreiten häretischen Einsichten gewarnt hat. Seitdem verschicke er überall seine Glaubensbekenntnisse, worin er sich zu den Apostolischen sowieso Nicänischen Bekenntnissen meldete. Er hat eine von ihnen bei Bullinger gelassen, eine andere hat er dem Martenego, der Pastor der italienischen Gemeinde in Genf war, geschickt, noch eine andere hat er vor dem Herzog von Württemberg abgelegt. Man sieht, dass in Gribaldis Fall alles etwa in verkehrter Richtung ging, als üblicherweise. Calvin hat inzwischen auch nicht faulgelenzt. Schon bevor Gribaldi nach Tübingen gekommen ist, ist da Calvins Brief eingetroffen, in welchem er warnte vor Gribaldi. In den Rücken sind ihm auch seine Freunde Bullinger und Vergerio gefallen, die ihn bei dem Herzog Christoph denunziert haben. Der hat schließlich Aufhör vor dem ganzen Universitätssenat angeordnet, wo Gribaldi gefragt wurde, ob er auch das Athanasianum annahm. Er sollte während drei Wochen diese Frage beantworten, er hat jedoch so nicht getan, sondern auf seinen Lehrstuhl verzichtet und ist sich wieder nach Fargues begeben. Wenn er nun in ein friedliches Privatleben gehofft hatte, täuschte er sich jedoch schnell. Weniger als ein Monat später wurde er verhaftet und zum Gericht nach Bern geführt. Er wurde mit Verbrennung bedroht, zuletzt wurde er aber ausgewiesen und seine Habe wurde beschlagnahmt. Gribaldi ging danach zu der Universität in Grenoble, aber auch da wurde er von den Auseinandersetzungen nicht frei. Offensichtlich wurde ihm zuletzt Heimkehr nach Fargues gestattet, weil er da starb im Jahre 1564 auf die Pest. So wurde antitrinitärisches Denken in der Schweiz, mit Ausnahme von Einzelpersonen und sehr kleinen Gruppen, praktisch ausgerottet.

Antitrinitärisches Denken sollte aber bald in einem von den größten Länder damalischer Europa, in Polen aufblühen. Polen war dazu gut disponiert, denn es eine sehr liberale Bürgerverfassung hatte, die – trotz der starken und gut organisierten katholischen Hierarchie in dem Land – jeden auch sehr unerheblichen Adelsmann als vollständigen Herr auf seinen Gütern traktierte und ermöglichte ihnen so da wen auch immer einzunehmen und zu beherbergen. Solcherweise dürften schon vorher in Polen ein Neusitz die Böhmische Brüder finden3 zusammen mit anderen Reformationskonfessionen, insbesondere die Reformierten. 1570 haben sich die Böhmische Brüder mit den Reformierten und auch unzähligen Lutherischen Gemeinden in eine Reformierte Einheitskirche vereinigt. Polnische Studenten, vorerst aus den Reihen der Adelssöhne besuchten auch häufig Westeuropäische Universitäten – in Italien und auch in Basel, Marburg, Tübingen, Wittenberg und auch die später gegründete Universität in Altdorf. Wahrscheinlich war der erste, der antitrinitärische sowieso wiedertäuferische Einsichten in Polen gepredigt hat, der Peter Gonesius, der wahrscheinlich ein Schüler Gribaldis aus Padua war. Er versammelte zu sich eine kleine Gemeinde und gegen sein Lebensende hat er die Schriften Doctrina pura et clara; O Synu Bożym; O Trzech, to iest, o Bogu, o Synu iego, y o Duchu S. przeciwko Troycy Sabellianskiej; O ponurzaniu Chrystyanskym ausgegeben. 1558 ist Biandrata weiter nach Polen gekommen. Trotzdem Calvin bombardierte die Vertreter der Polnischen Kirche mit Briefen, in welchen er ihn ein Ungeheuer nannte, hat Biandrata Vertrauen gewonnen von dem Superintendent Lismanin und von vielen anderen adligen Kirchenmitglieder. Die liberale Richtung hat sich großes Ansehen in der Polnischen reformierten Kirche erwerbt und das Trinitätsdogma wurde sogar für menschliche Verfügung erklärt, an der man nicht halten muss und diese Entwicklung führte sogar 1565 bis zu Spaltung der Kirche. Schon 1564 ist aber den orthodoxen Calvinisten – von Kardinal Hosius unterstützt, denn seine Meinung war, dass es für die Kirche nichts Besseres geben kann, als wenn sich die Ketzer untereinander jagen – gelungen das Ausweisen der fremden Prediger der Liberalen aus dem Lande. Biandrata, der inzwischen auch zu einem geehrten Leibarzt der Königin geworden ist, ging nach Transsylvanien, wo er die Weiterbildung der Kirche der Unitarier fortsetzen durfte. Der antitrinitarische Flügel der Polnischen Reformierten, der sich weiter Die kleinere Kirche nannte, ist noch durch viel Wirren und Doktrinalstreiten durchgegangen. Fraglich war an der ersten Stelle, ob Christus überhaupt zu verehren sei, wenn er nicht Gott sei. Zu weiteren brennenden Fragen gehörte auch die Legalität der Gewalt und ob die Christen Ämter, die mit Ausübung der Staatsgewalt verbunden sind – im Militärdienst oder Richteramte, vertreten dürfen.

Den Höhepunkt ihrer Entwicklung hat die Polnische antitrinitärische Kirche nach der Einkunft des Faustus Socinus, des Neffen der Laelius Socinus, der such seine reiche Bibliothek geerbt hatte, erreicht. Faustus Socinus4 war – ähnlich wie Gribaldi – aus einer Familie, dessen Mitglieder waren für Generationen als renommierte Juristen tätig. Er selbst hat jedoch nicht diesen Weg bestritten. Er wurde erst auf dem Hofe des Cosimo Medici in Florenz wirksam und verfertigte da ein viel zitiertes Vademekum De Sacrae Scripturae Auctoritate. Grosse Aufregung wurde jedoch durch seinen 1578 entstandenen Schrift De Jesu Christo Servatore erweckt, in dem er ist unzweideutig der Satisfaktionslehre des Anselmus entgegentreten und hat einen praktisch pelagianischen Standpunkt eingenommen: Christus habe uns den Weg gezeigt, wie man das ewige Heil erreichen kann. In demselben Jahre hat Biandrata den Faustum Socinum nach Transylvanien eingeladen, damit er da den Ferencz Dávid, den Bischof der dortigen Antitrinitarichen Kirche, die Biandrata selbst gegründet hatte, von seinen radikalen Einsichten abzukehren versuchte. Dávid war ein von deren, die dem Christus nicht huldigen wollten. Ähnliches Radikalismus wurde in Transsylvanien auch durch Jakob Palailogos verbreitet.5 Socinus hat sich auf den Weg nach Transsylvanien wirklich begeben; den Dávid hat er nicht überzeugen vermocht, aber auf dem Rückweg hat er einen Aufenthalt in Krakau gemacht, wo wurde er so herzlich angenommen, dass er hat sich da niedergelassen und in Polen die Reste (25) von seinen Jahren verbracht. Und gleich seit seinem Ankommen wurde er als die intellektuelle wie auch spirituelle Haupt der Antitrinitärier anerkannt, es bleibt jedoch die Frage offen, ob er überhaupt zur völligen Kommunion und dem Abendmahl zugelassen wurde, denn er verweigerte die Aufnahme einer neuen Taufe, die damals in der Polnischen antitrinitärischen Kirche beansprucht wurde.6 Auch in diesem Fall waren seine Einsichten sehr interessant: Er teilte die Meinung, dass weder Christus noch die Apostel haben die Taufe verbindlich eingesetzt. Er willigte sie nur als einen Initiationsritual zulassen für die Nichtchristen, die zum Christentum konvertieren, aber er wollte keineswegs durch die erneute Taufe diejenige irritieren, die sonst Sympathien zu der Kleineren Kirche hegen könnten. In seinem Ablehnen der erneuten Taufe haben sich so prinzipielle und praktische Gründe verknüpft. Und trotz dieser Tatsache hat er so tiefen Eindruck in die Polnische antitrinitärische Kirche ausgestochen, die man mit dem des Calvins auf die reformierte Gemeinde oder dem des Melanchtons auf die Lutherische Gemeinde vergleichen kann. Seine Jünger haben weiter nach seinem Tod, vielleicht mithilfe seines ungefertigten Werke Christianae Religionis Institutio, den für weitere Entwicklung des Socinianismus in Polen maßgebende sogenannten Rakower Katechismus7zusammengestellt. Rakow (Raków) war eine neugegründete Stadt auf den Massowschen Sumpfen, die als ein Unitarierkolonie mit eigener Druckerei und eigenem Gymnasium schon 1569 entstanden hatte. Sie hatte also für die Polnische Antitrinitarier ähnliche Funktion eines Zufluchtsortes und intellektuellen Mittelpunkt, wie für die Böhmische Brüder Ivančice und später Kralice. Das Licht der Welt haben da nebst dem Rakower Katechismus auch ähnliche Werke von den deutschen Mitgliedern der Rakower Kirche (die auch bei dem Zusammenfassen des Rakower Katechismus mitgewirkt hatten) Chr. Ostorodt8a J. Völkel9.gesehen. Die Kolonie ist schließlich unter dem Druck der Rekatolisation in 1628 zugrunde gegangen.

Wie sieht also nach den obergeschilderten Peripetien die ausgereifte Gestalt der Lehre der Sozinianer (Antitrinitarier) aus?

Der Weg zu dem Heil ist (Joh. 17,3 folgend) die Erkenntnis Gottes und Christi. Es gibt nur einen Gott und dieser ist der Vater Jesu Christi. Jesus Christus ist der menschliche Gottessohn, der von dem Heiligen Geist gezeugt war, und ein Träger des dreifachen Amtes: des Propheten-, des Priester- und des Königsamtes. Als der Prophet hat er den Menschen den Willen Gottes klargemacht und dessen Offenbarung in dem Alten Testament vervollständigt. Er soll als Vermittler dieser Offenbarung verehrt werden und die Ehre ihm so erwiesen ist grundsätzlich Ehre zu dem Gott. Das gilt jedoch nicht für Marie und die Heiligen. Sein Priesteramt sowie auch seinen Königsamt übt Christus in dem Himmel aus, wo er auf der Rechte Gottes als König regiert und für uns als Priester vertritt und befürwortet. Sein Tod hatte nicht den Charakter einer Versöhnung, denn Gott vergibt den Leuten selbst aus seiner Eigenschaft (jedwede Prädestinationslehre ist verwerflich). Der Geist ist keine Person, sondern die Kraft Gottes in den Menschenherzen. Das Abendmahl ist ein Gedächtnis des Todes Christi und das einzige Sakrament. Die Taufe ist nur ein äußeres Zeichen das Anerkennen Christi als Herren und den Eintritt in die Gemeinschaft der Christen begleitend.

Aus diesen Artikeln das interessanteste und überraschendste ist die Verwerfung der Taufe, die noch bei den Täufern so wichtige Rolle spielte. Ein weiteres Novum liegt in der Methode der Sozinianer: Die entscheidende Instanz für die Schriftauslegung und dadurch auch für das Erkennen des Willens Gottes sei weder die Kirche noch der Heilige Geist, sondern die menschliche Vernunft. Und der Mensch sei hierbei eine endliche und lauter irdische Kreatur; er kennt die Ratschlage Gottes nicht und er kann sein Verständnis der Heiligen Schriften auf keiner Ebenbindlichkeit auf keinem verbum insitum gründen, sondern nur auf der Offenbarung, also aus der Überlieferung dessen, was gegenüber ihm transzendent sei. Wer in diesem frührationalismus einen zwischen der Schrift und den Verstand sich bewegende Kreisschluss wittert, wittert recht. Die Wahrheit und Normative der Heiligen Schrift sei durch ihre göttliche Sanktion gewährleistet, von der wir sind wieder nur durch die Offenbarung informiert; und von deren Wahrheit derselbe Vernunft entscheidet, der dadurch eingeleuchtet werden soll. Nur später wird Socinianismus Tatsachen supra rationem, wie die biblischen Wundertaten, von den Tatsachen contra rationem, wie die Trinitäts- Satisfaktions- Transsubstantiations- und Ubikvitätslehre, die man immer und überall verwehren soll, zu unterscheiden versuchen.


Unabhängige Denker

Caspar Schwenckfeld

Caspar Schwenckfeld ist im Jahre 1489 geboren und seit 1516 bekleidete er das Amt eines Rates der Schlesischen Fürsten Friedrich II. von Liegnitz. Mit Begeisterung nahm er Luthers Reformation an. Er verstand sie jedoch als einen Weg der inneren Erleuchtung durch den Heiligen Geist, wozu keine festen Formen sind mehr nötig, weder die Gottesdienst, noch Dogmen noch Kirchen. 1528 wurde er schließlich dank dieser seinen radikalen Ansichten, an der ersten Stelle der Verleugnung der Bedeutung des Abendmahles seines Amtes entkleidet. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon viele Nachfolger, in besonderem unter dem Schlesischen Kleinadel, aber auch unter noch kleineren Leuten auf dessen Gütern und gerade da hat sich Schwenckfelds Lehre in kleinen Kreisen lang gehalten. Aus solchen Kreisen stammten später wahrscheinlich auch zahlreiche Anhänger Jakob Böhmes.

Schwenckfeld hat Hartnäckige Schriftliche Debatte gerade mit Luther geführt, wahrscheinlich mit der Absicht ihn über Rechtschaffenheit seiner Ansichten zu überzeugen, in dessen Rahmen ist die Mehrheit seiner Schriften entstanden10, die schließlich (aber erst nach seinem Tode), in dem Jahre 1564 auch gedruckt worden sind. Nicht zuletzt tadelt er – gemeinsam mit Erasmus - Luther seine These von dem unfreien Willen des Menschen. Die Lutherische Ablehnung von guten Werken sieht er als Anweisung zum Faullenzen an. Die Sündhaftigkeit des Menschen sah er nicht so fatal wie Luther11 und ganz fremd ihm war die Auffassung des Heils als iustitia imputata. Die Bestimmung des Menschen ist nach ihm Bildnis Gottes zu werden, gottförmig sein. Dazu muss er erst die Gestalt Christi annehmen, christförmig sein. Zum Unterschied zu diesem Weg eines tiefen inneren Wandels scheint ihm Luthers Volkspredigtum als etwas gefährlich oberflächlich. Er spricht über ein "innerliches, Göttliches, geistliches, himmlisches Wort", das unterscheidet sich wesentlich von einem Wort des dienstlichen Buchstabens. Von solchem Geist und Ethos geführt, gründete Schwenckfeld Gemeinden, die vielleicht nicht unähnlich den urchristlichen Gemeinden waren. Nach seiner Ausweisung aus Schlesien wirkte er missionarisch in Schwaben. Elsass und Rheinland.

Sebastian Franck

Sebastian Franck gehörte zu der Schicht der gebildeten Humanisten. Sein Name kommt in den Registern der Universitäten vor – in Ingolstadt und Heidelberg, er ist viel gereist und hat in verschiedenen deutschen Städten gewirkt – in Nürnberg, Straßburg, Esslingen, Ulm, Basel und Augsburg. Meist inspiratorisch wurde für ihn vielleicht die freie geistreiche Atmosphäre von Straßburg, wo nebst den Reformatoren Bucer und Capito waren auch katholische Humanisten tätig, es wirkten da Täuferströmungen und man konnte immer den Hauch Taulers Mystik spüren. Hier kam er mit Schwenckfeld auch kürzlich zusammen.

Franck ist in der Kritik der zeitgenössischen Kirche weiter als Schwenckfeld gegangen. Die Bibel war ihm nur ein Buch der Historie (wiewohl nützlich) und hatte Zweifel auch in der Frage der Trinität. Er war mit aller weltlichen wie auch kirchlichen Macht verfeindet. Christus wirke nur in dem Inneren vom Menschen als sein persönlicher Retter, der ihn zu Erlösung führt und er habe weder Kirchen- noch Weltlichen Regiment verordnet. Ähnlich auch Gott selbst ist nur in der Natur wirksam.

Franck hat sein wichtigstes Buch Paradoxa genannt. Er befürwortet in ihm Toleranz unter Glaubensrichtungen und –strömungen, denn alle menschliche Frömmigkeit ist nicht für Gott bestimmt, der benötigt sie nicht, sondern ist für die Menschen füreinander, die aus ihr Gunst nehmen.

Paul Lautensack

Nur kurz sei die extravagante Persönlichkeit Paul Lautensacks erwähnt. Er stammte aus Fürstbistum Bamberg und bis zu Reformation war er da Organist der Stadtkirche. (sog. Obere Pfarre). Er hat sich der Reformation angehängt und übersiedelte 1528 nach Nürnberg. Dort gab er ein Buch der Auslegungen zu der Apokalypse heraus12, das insofern eigenartig war, dass es durch die Behörden verboten wurde, und sein Verfasser wurde 1542 verbannt. Später gestattete man ihm die Rückkehr und er starb 1558 in dem Amt der Organisten am St. Seebald. Seine symbolischen Darlegungen wurden später wichtig in Besonderem für Benedikt Biedermann.

1Es war Bernardich Ochino aus Siena, bevor ein redsamer und beliebter katholischer Prediger. Als seine revolutionären und sozial gespitzten Predigten der Inquisition verdächtig wurden und er auch zu dem Papst nach Rom berufen worden ist, wählte er lieber Flucht nach Norden. Unter seiner Lebensperipetien hat er sich auch zu Bucer in Straßburg beigesellt und nach dem Augsburger Interimist er mit ihm in Verbannung nach England weggegangen, wo er für bestimmte Zeit hat ein Lehrstuhl in Oxford erhalten. Nach der Thronfolge der Marie Tudor wurden die protestantischen Flüchtlinge jedoch erneut verbannt und so kam es zu dem schicksalhaften Übereinkommen. Bernardin Ochino kann nicht direkt zu Antitrinitarier gezählt werden, er hat jedoch ihr Los mit ihnen (vielleicht auch unrecht) geteilt und bei den Polnischen Antitrinitarier suchte er Zuflucht in den letzten Phasen seines Lebens. Zuallererst wurde Ochino nach etwa zwei Jahren in der Schweiz (in Genf und Basel) zum Prediger für die neue Gemeinde der italienischen Exulanten in Zürich berufen. Um ruhiges Leben und Karriere wurde er durch einen kuriosen Vorfall beraubt. Ochino war ein schneidiger und feuriger Prediger, der nicht immer seine Wörter sehr pünktlich wog. 1563 hat er in Basel ein Buch von (satirischen) Dialogen über alles Mögliche ausgegeben, Einige haben davon wohl abgelesen, dass der Verfasser die Polygamie verfechte. Das war sehr geeigneter Stoff für Gaststubenklatsch und gerade zu einem solchen ist so in einer Züricher Kneipe gelangen während eines Jahrmarktes, wo auch Basler gelangen waren; die verspotteten ihre Züricher Nachbarn, was für eine Prediger sie hätten. Der Stadtrat wurde dadurch sehr erregt und wies Ochino aus der Stadt ohne Möglichkeit zu Selbstverteidigung. Der damals schon 76jährige Ochino musste sich mit seinen vieren Kindern auf Qualvolles Wandern begeben über Basel, Straßburg und Nürnberg bis nach Polen. Schließlich wurde er auch davon weggetrieben und starb in der Täufergemeinde in Austerlitz (Slavkov) in Mähren.

wird fortgesetzt an andresius.pise.cz/593-heterodoxen-strmungen-der-reformation-teil-iii.html

2 Schon damals wurde Gribaldi, ein Mensch glänzenden Namens, der auf Bewunderung der Studenten gewöhnt war, davon genug geärgert: "Superbe repudiatus" hat er darüber in einem Brief nach Italien berichtet.

3In der späteren Entwicklung der Einsichten der Antitrinitärier, bspw. In ihrer Ablehnung des Militärdienstes und öffentlichen Ämter spiegelt sich zweifellos der Einfluss der Böhmischen Brüder wider.

4Der Familienname wird auch häufig in der italienischen Form als Sozzini geschrieben. Weil aber dieser Name auch für Benennung einer ganzen Lehrmeinung dient, wählen wir hier die lateinische Form des Namens, damit der Zusammenhang besser ausgeprägt sei.

5Mit diesem Mann, der hat auch in die Böhmische Geschichte eingegriffen, und einen Denkmal hinterlassen, den jedermann, der auf der Prager Karolina promoviert hat kennt (wenn er nur die entsprechende griechische Inschrift verlesen kann), kann man sich vertraut machen zum Bsp. in dem Sammelwerk Slovem obnovená [čtení o reformaci]; Kalich, Praha, 1977.

6 Solche anabaptistische Tendenzen wurden vornehmlich von Martin Czechowicz, dem Pastor von Wilno und später auch Lublin vertreten. Nach dem Tod de 81-jährigen Greises in dem Jahre 1613 haben die Antitrinitarier dies Praxis liegenlassen und den Standpunkt von Socinus übernommen.

7Polnisch erst 1605, dann 1619 ausgegeben; aber parallel mit den polnischen ausgaben es gaben auch zwischen 1609 und 1684 (acht) lateinische und (zwei) deutsche Impressionen. Dieser Katechismus wurde zu ihrem echtem Bekenntnisschrift.

8Unterrichtung von den vornehmsten Hauptpunckten der christlichen Religion, 1604

9De vera religione libri quinque, 1630

10"Vom christlichen Streit" (1533), "Von der Wiedergeburt" (1538), "Von dreierlei Leben des Menschen (1546), "Von Sünd und Gnad" (1546), "Vom Artickel der Vergebung der Sünden" (1547))

11Siehe Ob ein Christ auch ein Sünder sei aus dem Jahre 1561

12Dye Offenbarung IESU Christi, 1538, Das Buch befasst sich mit symbolischen numerischen Deutungen, die beschränken sich nicht nur auf die Apokalypse. Die Hauptthesis lautet, dass alles muss mir Christo gekreuzigt werden; so verbreitet sich Vierfaltigkeit auf die Schriften des Alten wie auch Neuen Testaments, auf menschliche Glieder, Farben des Regenbogens usw. Lautensack unterscheiden 30 Glieder Christi. Er liegt auch die 12 Sterne der Apokalypse dar u ä.
Zdroj: http://andresius.pise.cz/592-heterodoxen-strmungen-der-reformation-teil-ii.html

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