Heterodoxen Strömungen der Reformation- Teil III

19. listopad 2019 | 05.58 |
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Heterodoxen Strömungen der Reformation- Teil III

fortsetzung des Artikels andresius.pise.cz/592-heterodoxen-strmungen-der-reformation-teil-ii.html

Valentin Weigel und seine Schule

Das Leben des Zschopauer Pfarrers Valentin Weigels haben wir ungewöhnlich gut dokumentiert; wir kennen praktisch alle wichtige Urkunden, die über ihn überhaupt bewahrt werden können haben, beginnend von Familienbuch- und Immatrikulationseintragen an verschiedenen Schulen, über Visitationsberichte, (wahrscheinlich für Amtszwecke ausfertigte) eingene Lebensdarstellung, bis zu sein Epitaphium. Es ist sogar ein Buch endeckt worden (die Urausgabe von Confessio Augustana) das ihm als Studiertext diente - mit eigenhändigen Notizen verfasst und mit dem auf verschiedene Art und Weise unterstrichenen Text . Lassen uns freilich diese Angaben schnell durchgehen : geboren 1533 in "Stadt Hayn" bei Meiße,n studierte er 1549-1554 auf der Stadtschule bei Hl.Afra in Meißen, dann für neun Jahre (1554-1563) an der Leipziger Universität; da wurde er 1558 zu Bakkalaureus und 1558/9 zu Meister; danach noch an der Wittenberger Universität für 4 Jahre (1563-1567). An beiden Universitäten bezog er Stipendium aus der fürstlichen Kasse, denn er war vermutlich aus einer armen Familie. Es sind uns auch Zahlquittungen erhalten. Seit 1567 bis zu seinem Tod in 1588 war er Pfarrer in Zschopau. Er war als ein hervorragender Prediger und zugleich ein problemloser Kirchenmann bekannt. Ohne weiteres hat er 1577 die Konkordienformel unterschrieben und nie wurde er aus irgendeiner Abweichung von der Rechtgläubigkeit verdächtig. Er hat in Zschopau auch geheiratet und eine Tochter und zwei Söhne hinterlassen, die sich die Lebensbahn als Ärzte wählten.

Je klarer und durchsichtlicher Weigels Lebensführung sei, desto finsterer und unklarer die Ursprung seinen Schriften ist, von den nur eine einzige schon während seiner Lebenszeit erschien, und nämlich nur eine Akzidenzleichenrede, und die sind wahrscheinlich nur für einen schmalen Kreis intimer Mitwisser entstanden, die – namentlich Weigels Diakon und Amtsnachfolger Benedikt Biedermann und sein Kantor Christoph Weikhard - sie auch erhalten , und mehr: über ganze Reihe weiterer Schriften bereichert haben, so dass heute kann man nur schwierig sagen, welche aus den Weigelischen Schriften echt sind, und welche sind seinem Nachfolger Biedermann gutzuschreiben.1 Noch geheimnisvoller ist die Frage, wie überhaupt sind diese Traktate ins Druck erschienen und wer (etwa 20-40 Jahre nach ihrer Entstehung und 20 Jahre nach Weigels Tod) ihr Herausgeber war.2 Die ersten Abdrucke von diesen (echten wie auch unechten) Schriften stammen aus dem Jahre 1609. Der Herausgeber wie auch der Verlagsort sind durch Pseudonyme verhüllt.3 Unmittelbar danach sind sie auch in Halle (Joachim Krusicke) und bei dem gerüchteten Lucas Jennis in Frankfurt am Main erscheinen.

Der Inhalt von Weigels Schiften darf sich nicht einfach charakterisieren.4 Man kann vielleicht mit der allgemeinsten Aussage beginnen, und nämlich, dass sich bei ihm humanistische, naturwissenschaftliche und mystische Motive verknüpfen. Der mystischen Überlieferung getreu billigt Weigel dem Gott nur negative Prädikate zu. Er ist darin so konsequent, dass er sogar dem Gott das Selbstbewusstsein abspricht. Gott erkenne sich in dem Menschen; in stummem Vergessen tauche der unendliche Gott in das Individualwesen nieder und in dem Menschen wird Gottes Stimme geboren. Das Reich Gottes sei in dem Menschen und nirgendwo anders. Die Welt (eine unendliche Welt!) kann den Gott nicht fassen, weder sein Reich, das in Ihm besteht. Gott sei das Prinzip von allen Dingen, er ist Alles in Allem. Je mehr sich der Mensch Ihm ergibt, je mehr wird der Gott zum Menschen. Gott sei der Grund aller Schöpfung.

Himmel und Hölle befinden sich an keinem bestimmbaren Ort – sie bestehen in Gott, nur verschieden: An dem Ersten hat Gott Anteil an der Anderen nicht. Aber weder das Böse kann man außerhalb Gottes denken. Es existiert in Ihm und besteht in freiwilliger Abkehr von Ihm. Deshalb kann es durch keine weltliche Gewalt, noch durch Heiligkeit beheben weder richtiggestellt werden. Nur der Wille, der aus dem inneren Menschen ausgeht, kann die Verwandlung beibringen, wenn er der Stimme Gottes lauscht. Noch den Glauben kann man durch Kraft durchsetzen. Nach Weigel, es ist verkehrt, wenn jungen Priestern und Predigern nur eine Lehre aufgezwungen sei, die sie abschwören müssen und danach sie sich in Weiterem richten müssen.

Mit solchem Auffassung Gotts ist Weigel als der markanteste Pantheist der 16. Jahrhundert nachgewiesen. Gott bestehe aus drei Personen, aber vor Christi Tod gab es keinen Heiligen Geist. Den Gott oder Christum in uns (Beide ist bei Weigel praktisch identisch) erkennen wir: 1. aus der Bibel 2. aus dem Buch der Natur 3. durch Gebet 4. durch innere Bereitschaft zur Erkenntnis Gottes in uns. Der irdische Christus und sein Lebenswandel sind für uns der Weg, das Licht und die Pforte zu dem Gott in Himmel. Das wichtigste und allein heilsgebende ist jedoch der innere Christus. Hier muss auch Weigels Lehre über den Lichtleib Christi erwähnt werden: Christus, von dem Heiligen Geiste empfangen und so nicht aus dem Menschengeschlecht stammend hätte nicht dasselbe Leib wie Adam oder wie Judas, der Verräter, sondern er wäre eine neue Schöpfung5 und ein natürlicher Gottessohn. Dieselbe Unstofflichkeit betrifft auch Marie, die die himmlische Eva genannt wird, ähnlicherweise, wie Christus zu einem neuen Adam wird. Der irdische Adam verhält sich zu Christus wie Antitypus zu seinem Prototyp. Adam wurde jedoch durch Luzifer betrogen und zu Eigenwillen verführt und dadurch wurde er zerspaltet und hat die ursprüngliche Einheit verloren. Die Wiedergeburt des Menschen bestehe dann in Ablegung des Adamischen Leibes und dem Einnehmen des himmlischen Leibes und Blutes. Die Wiedergeborene haben dann einen zweifachen Leib – den irdischen und den himmlischen. Der Träger der menschlichen Individualität und auch des Gottesbildes, und so auch das, was die Erlösung braucht, bleibt die Seele. Die Annahme des himmlischen Leibes (bei Weigel auch siderische oder ewige Leib genannt) ist für sie wie ein Heilsmittel. Wir können hier einen starken Einfluss von Paracelsus (siehe unten) und große Differenzen gegen die lutherische Heilsauffassung sehen. Der Mensch erlangt sein Heil und seine Erlösung nicht von außen, als eine Christi Gnadensgabe, sondern durch eine innere Verwandlung. Der himmlische Leib spielt also bei Weigel ähnliche Rolle, wie die Rechtfertigung durch Glauben bei Luther. Also nicht "iustitia imputativa" sondern "transmutatio realis" lautet die Weigelsche Formel. Der Glaube hat für Weigel den Sinn von Ablegung, Loswerden von dem Eigenwillen, des Absterben des Aussenmenschen. Es gilt nicht mehr Christus für uns, sondern Christus in uns. "Christus in uns" sei der Vorgang, womit der Mensch von der Sünde befreit wird  und die Seligkeit erlangt. Ebenfalls wird der Mensch zu einem Christen nicht durch die Taufe (die wasche gar nicht die Erbsünde ab, wie die Wiedertäufer behaupten), sondern er muss sich in die Form eines Christen entwickeln. Damit hängt auch Wiegels Auffassung der Auferstehung zusammen: Weigel unterscheiden zwei Arten davon: Die eine beginnt schon in diesem Leben und besteht in der Verwandlung zu Christus; wie der Same in die Erde gesät wird, stirbt und verfaulet, so entsteht in uns durch einen naturalen, natürlichen Vorgang das Gotteswort; so ist es auch möglich, dass der Adamische Leib den Himmel erlange. Die andere Auferstehung wird bei Christi Ankunft erfolgen.

Die angeführte Auffassung Christi als eines Himmelsmenschen, der durchaus von den anderen Menschen verscheiden sei, hat auch seinen Namen, den die schon als frühkirchliche Häresie bekommen hatte, und nämlich Doketismus. Das war eine Lehre von manchen, vornehmlich gnostischen Gruppen, davon, dass Christus keinen realen Leib hätte, sondern wäre in die Welt in einem nur scheinbaren Leib niedergestiegen, der sollte zu Überlistung der Weltmächte dienen, und wurde leidenschaftlich widerlegt durch Kirchenväter von Justin und Eirenaios bis zu Augustin und Epifanius. Wie möglich, dass es hier wieder gegen Ende des 16. Jahrhunderts erscheint, in einer Epoche, die schon alle Argumente dafür und dagegen kennte, die einmal an beiden Seiten auf den Kirchensynoden erklingt hatten?6 In dem 16.Jahrhundert spürte man nicht mehr so heftig als Notwendigkeit zu erweisen, dass Christentum auf realen Grundlagen stehe und ein wirkliches Ereignis zu Grundlage habe, und dadurch sich eigentlich von den unzähligen Mysterienreligionen des späteren Altertums unterscheide, dass Christus eine reale Person gewesen sei, und also die kirchliche Kerygma und Überlieferung wahr und regelrecht wären. Viel bedeutsamer war für den Menschen aus dem Mittelalter und dem 16. Jahrhundert eine persönliche Glaubenserfahrung. Und die war schon in dem 16. Jahrhundert durch eine lange mystische Tradition präformiert, die sich von Mystiker wie Bernard und Hildegard bis zu Heinrich Suso ziehet, und wo Christus nur teilweise als eine reale Person erscheint, öfter jedoch als König, Bräutigam, Herrscher oder freilich der Gekreuzigte, dessen Leiden jedoch nicht mehr Menschendimensionen hat, sondern wird hauptsächlich magisch vernommen; wessen Wunden zu Meditations- und Spekulationsgegenstand werden – die ganze Welt sich in ihnen bergen kann usw. Deshalb spielt auch für Mystiker und Theologen bis zu der Aufklärung der historische Jesus gar keine Rolle und dasselbe gilt auch für Weigel sehr ausgeprägt. Der historische Jesus ist für ihn nur ein Zeuge der Wahrheit, der uns als Beispiel gegeben ist. Die Lebenskraft gibt den Christen allerdings der innere Christus. Und wenn über Christus bei Weigel die Rede ist, kann es drei Meinungen haben: 1. (meistens) Christus in uns; 2. der irdische Jesus, der beispielhaft für uns ist; 3. ein Träger des himmlischen Leibes.

Praktisch meint solche Theorie für Weigel eine besonders starke gegenkirchliche Stellung: Die Priester seind eine Verkörperung des Antichristen, deshalb sind auch die Kirchen "eitel Mördergruben", das Tempel Gottes ist nur der Mensch. (Es bleibt ein großes Rätsel, wie vermochte er solche Auffassungen mit seiner Stelle der Stadtpfarrers und eines berühmten Predigers verbinden.) Sakramente seind unnützlich7, das Einzige, was in dem Kampf gegen Satan, den Widersacher in uns hilft, seind ein gemäßigter Lebenswandel, Glaube und Gebet. Brot und Wein werden nicht in Christi Leib und Blut verwandelt, denn auch unser irdischer Leib wird nicht ins Himmlische verwandelt, sondern es nur empfingt. Weigels Haltung verrät eine leichte Missachtung der Reichen und Sympathie zu den Armen.

Ähnliche Stellungnahmen sind auch Weigels Nachfolger Benedikt Biedermann eigen. Er unterscheidet sich jedoch von Weigel in zwei wesentlichen Dingen: Er verlässt allmählich die Idee des himmlischen Leibes und behaltet daraus nur das Bild der himmlischen Eva bei. Im Gegensatz zu Weigel nutzt er viel mehr astrologische und (pseudo)kabbalistische Schemen und Bilder aus, worin er auch auf Paul Lautensack einknüpft. Weitere Inspirationsquelle repräsentiert für ihm Nikolaus von Kues und seinem Vorbild folgend versucht er häufig eine Combinatio contradictorium, die Vereinigung der affirmativen Theologie mit der Negativen, was für ihn die vollständige Erkenntnis repräsentiert, die im Kreuze Christi erlangen wird. Weigel versteht es anders: für ihn ist die wahre Erkenntnis in besonderem die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Irrtum, und der Mensch habe eine mystische Disposition dafür, "Güldene Griff".8 Auch Biedermanns Heilsauffassung ist mehr orthodox: er stellt sich es vor als etwas von Christi Inkarnation in den Menschen durch den Heiligen Geist Verursachte. Die Inkarnation ist also der Wendepunkt, wovon alle Welt – englische, teuflische und auch irdische, der aber gleichfalls, dem Gotte widrig und dem Tode verfallen worden ist – zum Gotte widerkehrt.

Benedikt Biedermann wurde nicht wie Weigel gegönnt sein Leben bis zu Erfüllung seiner Tage in Frieden zu beenden. Er fiel zu Opfer der Visitationswelle, die nach Krells Affäre (bei der dieser aus "kryptocalvinismus" verdächtige Minister sogar enthauptet wurde) ergriffen hatte; es sind dabei in Zschopau seine wie auch Weigels "ketzerische" Bücher entdeckt worden. Biedermann wurde seines Amtes enthoben und zu einer Dorfpfarre in Neckanitz bei Meißen versetzt, wo er in hohem Alter in dem Jahre 1621 gestorben ist.

Paracelsus

Die Person von Theophrastus Paracelsus führt uns in die erste Hälfte des Jahrhunderts zurück, also in die erste Genration der Reformatoren. Sein Weg zu Selbstbehauptung führte durch das Studium zu der Medizinischen Praxis, der hatte sich allerdings schon sein Vater gewidmet. Seine erste alchymistische und sonst praktische Erfahrungen hat er in den Kärtner und Tiroler Hütten und Bergwerken erfasst. Seine sogar abenteuerliche Lust Alles zu erkennen ("nicht wahnen sondern wissen") hat ihn ins Weite auf Wanderungen über Deutschland, Frankreich und Italien getrieben. Er hat alle wichtige Center der Heilkunst besucht: Bologna, Padua, Ferrara, Paris, Montpellier, aber auch Lisabon und Granada, und ist bis nach England, Niederlande und Schweden gelangen. Vielleicht gerade seine unermüdliche Person, die in Wissenslust alle Welt gekreuzt hatte, ist später zum Vorbild für den legendären Christian Rosenkreuz geworden.

Endlich hat er sich in Straßburg niederlassen, aber schon nächsten Jahrs ist er zur Professur in Basel gerufen worden, wo sollte er auch das Amt des Stadtarztes bekleiden. Da ist ihm ersten und auch letzten Mals in seinem Leben Anerkennung und Huld beschert worden. Er führt lateinische wie auch deutsche Vorlesungen und baut sein System der Medizinwissenschaft, das sich nicht mehr an altertümliche Autoritäten anlehnt, sondern stützt sich an Erfahrung und die "Buch der Natur". Er hat ganzen Schar von Schüler, aber nach einem Streit mit der medizinischen Fakultät wird er endlich aus der Stadt vertrieben. Er streicht durch Schwaben und Franken. In Nürnberg ist es ihm beinahe gelungen ein Buch zu publizieren, aber auf die Intervention des Stadtrates das fast völlig gedruckte Buch nie erscheint. Weiteres relativ ruhige Zuflucht findet er in St.Gallen. Da engagiert er sich persönlich um die Sache der Reformation; er begibt sich sogar zu entfernten Berggebieten das Evangelium denen zu predigen , die er so gut auf seinen Wanderungen kennengelernt hatte. Es ist nicht klar genug, warum hat er sich von dieser Aktivität nach zwei Jahren wieder abgewendet – vielleicht waren es Streitigkeiten zwischen dem Deutschen und dem Schweizerischen Zweig der Reformation. Im Weiteren sind für ihn alle Kirchen nur Mauer- oder Steinkirche. Mit groben Worten kritisiert er auch die Reformatoren: "Sie sagen, wir waren Huren, wir waren Spieler, Säufer und aller Üppigkeit voll, wir haben's verlassen und sind ehelich geworden, wir predigen jetzt im Namen des Herrn das Evangelium und sind jetzt seine Propheten , seine Apostel”9Wahre Apostel aber leben nicht ein sesshaftes Leben: Sie dienen der Kirche des Geistes, die aus einzelnen Wiedergeborenen besteht. Parcelsus - zum Unterschied zu Schwenckfeld und Franck - ficht jedoch nicht die Riten der Kirchen an, ganz umgekehrt er widmet einen großen Teil seiner theologischen Schriften einem rechten Verständnis und dem ordentlichen Feiern des Abendmahls. Er ist auch nicht gegen Festtage. "Der Gott des Schlafs ist auch der Gott und Herr des Sabbats” Festtage sind für ihn Tagen, wann das Herz arbeitet. Er bestritt auch nicht die Rolle der weltlichen Macht, deren Verkörperung er in der Person des Kaisers und in dem Reich sieht. Er sagt jedoch, dass für alles Unrecht und Missgriffe, und im Besonderen für alle Todesurteile wird in dem jüngsten Tage auch die Obrigkeit Strafe leiden müssen.

Seinem medizinischen Beruf getreu schildert Paracelsus mit Humor auch die Art des Glaubens, die verschiedenen Menschentypen entspreche: Die Melancholiker fasten und beten, die Sanguiniker jauchzen, singen und poltrig musizieren, die Choleriker wollen Blut vergießen und für Christus ihr Leben opfern, und die Phlegmatiker wollen den Himmel durch Frieden und Stille erlangen. Der wahre Weg zum Gott sei jedoch der Glaube. Sehr wichtig ist für ihn auch Busse und Vergebung - das ist für ihn sogar Bedingung Gottes Barmherzigkeit. Paracelsus genügt jedoch nicht der Glaube, den die Reformatoren samt Luther bekennen; der Glaube muss wirksam sein, und was anders sollte er bewirken als Liebe? Wer den Gott liebt, für den Glaube und Werken zusammenfließen. Ein neuer Mensch muss geboren werden, der steht nicht mehr unter dem Regiment der Planeten, sondern des Geistes. Ein Solcher habe dann nebst dem irdischen Leib auch einen anderen, himmlischen Leib, den er nicht mehr im Tode ablegt. Dieser Leib nährt sich aus Christi Heiligem Abendmahl.

Paracelsus macht sich auch die Gedanke zu eigen, die war schon in dem vorigen Jahrhundert bei den Italienischen platonischen Humanisten lebendig gewesen und die aus den urewigen Hermetischen Schriften stammt, nämlich über den Menschen als einen Mikrokosmos, der solcherweise auch ein Bild der gesamten Welt sei. Die Welt entstehe aus ihrer Urquelle, die Paracelsus Iliaster, oder Mysterium Magnum nennt und die auch als Gott verstanden werden darf. Davon sich scheide erst der Cagaster, der dunkle Grund, und der freigemachte Iliaster scheidet sich weiter auf die astrale und materielle Sphäre – also Himmel und Erde. Durch weiteres Teilen entstehen die Elemente: Luft, Feuer, Wasser, Erde. Die repräsentieren die universelle Potentialität alles Seins, sind seine "Mütter". Der Mensch entstehe aus Limbus, der sich der wiedererlangten Gesamtheit der Elemente und der drei materiellen Prinzipe (siehe unten) gleichsetzt. Die ganze Welt, also auch das Himmel (und die Hölle wird später Böhme sagen) ist in dem Menschen. - Aber nicht direkt, im Sinne einer materiellen Substanz. Die Übereinstimmung wird dynamisch erlangt, durch die Auswirkung derselben Prozesse, die auswendig wie auch inwendig wirken und allem, was sich in der Welt befindet, ihre Signaturen einprägen, die sich auf jedem Lebewesen in seinem Archaeus – dem Lebensgeiste manifestieren.

Wenn aber in dem Menschen das Himmel ist, ist in ihm auch der Gott, der darinnen wohnt. Und wenn Gott in dem Menschen weilt, der ein Bild ganzer Natur sei, weilt er auch in der ganzen Natur. Nicht durch seine Person – solcherweise ist er in der Welt nur in Christo gegenwärtig, sondern durch seine Kraft. Durch seine Kraft kann also Gott auch in die Natur und in die allgemeine Ordnung der Dinge eingreifen. Deshalb anerkennt auch Paracelsus nebst vier organische Krankheitsursachen10 auch eine fünfte, nämlich den Willen Gottes.

Es wäre langwierig und schwierig weitere Einzelheiten der Paraceslus radikalen Meinungen hier zu schildern. Trotzdem müssen wir mindestens eine von ihr erwähnen, die, obwohl sie eine medizinisch-alchemistische Natur hat, viel die späteren Gedanken Jacob Boehmes und der Rosenkreuzer beeinflusst hat. Im Unterscheid zu der Galenischen Medizin, die praktisch alle physiologische wie auch Naturvorgänge durch die Mitwirkung der vier noch voraristotelischen Prinzipe oder Elementen11 zu erklären pflegte, hat Paracelsus drei andere, neue12 Prinzipe postuliert und verwendet: sal, mercurius und sulphur. Streit um diese Prinzipe wurde von der Intellektuellen sehr leidenschaftlich durch den Rest der 16-ten Jahrhundert geführt und sie haben auch die Boehmes Kosmologie sehr beeinflusst.

Im ständigen Wandern, die nur durch zwei kurze Aufenthalte in Mähren (auf dem Gut der Berthold von Lippa in Märischem Krummau) und in Villach in Kärnten unterbrochen wurde, hat schließlich den Paracesus der Tod eingeholt. Es geschah so schon vor seinem fünfzigten Lebensjahr, in 1541 in Salzburg.

Paracelsus hat viele medizinische. alchemistische und theologische Schriften hinterlassen, denn in seinem Werk haben sich alle diesen Wissensgebieten durchgedrungen. Aber trotz der monumentalen Editionsarbeit K. Sudhoffs13 ist er bisher nicht klar, was eigentlich dürfen wir für echte Paracelsus Werke halten. Zu Paracelsus haben sich nämlich breite Scharen von Anhänger bekennt, die auch intellektuell tätig waren und nicht sehr scharf zwischen die eigenen und die entlehnten Einsichten und Werken zu unterscheiden pflegten. Zum Weiterem, ein gewisses esoterisches Geheimnisvolles, die die entsprechende Schriften durchdringt, hat Pseudonymität unter diesen Schriften praktisch zum Regel gehoben und das ist ein weiter Stolperstein, den die modernen Forscher entfernen müssen, um zu gewissen Faktizität zu erlangen.

Man würde vielleicht von uns hier erwarten, dass das Paracelsus Kapitel von einem über "paracelsische" Theologie der zweiten Hälfte des 16-ten Jahrhunderts fortgesetzt werden wird, wir müssen jedoch solche Erwartungen enttäuschen. Der ganze riesige Strom von Schriften und alle Persönlichkeiten, die zum Paracelsus Erbe sich bekennten, die alle begeben sich nur in einer - medizinisch-chemischen Richtung und verschweigt völlig alle theologischen Themen. Warum und wieso finden wir nichts Theologisches bei Adam von Bodenstein, Johann Huser, Benedict Figulus, Karl Wideman, Michael Schütz, Edward Kelley, oder Oswald Croll, um mindestens die wichtigsten "Parcelsisten" zu nennen? Solche frage hat neuerlich Carlos Gilly  in seinem Aufsatz Theophrastia Sancta14gestellt und beantwortet. Seine Antwort lautet in dem Sinne, dass die Paracelsisten selbst haben diese Ebene des Diskurses liegenlassen, damit sie nicht ein Anlass zu ihrer Verfolgung für Glaubensfragen bieten würden und weiter frei tätig sein könnten. Sogar in die erste von Johann Huser geordnete Ausgabe Paracelsus Schriften, die in Köln seit 1589 erschien, wurden seine theologische Schriften nicht eingereiht. So bleibt Valentin Weigel der einzige "paracelsische" Theologe in dem 16-ten Jahrhundert, der auch (bspw. nach dem erhaltenen Widemans Katalogen der Paracelsisten Verzeichnis einiger spagyrischer Mediziner und anderer Künstler aus den 20-en Jahren des 17-ten Jahrhunderts) von den Paracelsisten dem Paracelsus gleich geehrt wurde.

Trotzdem eine durch Paracelsus befruchtete Theologie hervorsprudelt hat und nämlich bei Personen wie Johann Valentin Andreae, Adam Haslmayr, Wilhelm Morsius, Alexandr von Suchten, in dem ganzen mächtigen Strom der Rosicrucianer, allerdings auch bei Jacob Boehme und durch ihn beeinflussten Mystikern. Das ist jedoch schon eine Geschichte des folgendes 17-tes Jahrhundert.


Frage der Toleranz von Abweichenden Strömungen in der Reformation

Nachdem wir hier ganze Reihe von abweichenden Strömungen und besonderen Persönlichkeit der Reformationszeit vorgeführt haben, eine Frage bietet sich dar, was für Stellungnahme zu solchen Besonderheiten hatte die Mehrheit, bzw. Kirchen- oder sogar Weltliche Obrigkeit. An der katholischen Seite ist alles klar: da kann man über Toleranz gar nicht sprechen. Nur dank der Augsburger Religionsfrieden, die der alternde Kaiser Karl. V. durch militärische Debakel und praktischer Zusammenbruch seiner Macht in Deutschland zu akzeptieren gezwungen worden war, ist Luthertum für die Katholiken zu einem tolerierten Glauben geworden. Die Reformierten hatten de iure so eine Position nicht und müssten für ihre Anerkennung bis nach dem Westfälischen Frieden warten.

An der Reformationsseite ist die Situation bunter in Theorie wie in der Praxis. Beim Studium der Quellen wird man regelmäßig überrascht, was für konservative theoretische Haltungen in der Frage der Toleranz "der Ketzer" ganze Reihe der Reformatoren hatte. Mutatis mutandis sind ihre Standpunkte nicht sehr verschieden von der mittelalterlichen Stellung des Thomas von Aquin. Der hatte zwischen Unglauben, Abtrünnigkeit und Ketzertum unterscheidet. Während der Erste unter gewissen Umständen toleriert werden darf (wie bei den Juden, denn es sich um große Menge der Bevölkerung handle; oder wenn es die Hoffnung auf ihre Bekehrung gibt), sollen die zwei Andere hart gestraft werden: Häresie durch Exkommunikation und in dem weltlichen Regiment durch Tod; den Tod verdiene sich auch der Abtrünnige, weil er große Gefahr darstelle – wenn er nicht ordentlich gestraft würde, er würde auch andere zum Abfall verführen.

Die gleichen theoretischen Ausgangspunkte hat auch Erasmus. In seiner Auffassung des Christlichen Staates ist Einheit ein positiver Wert und auch der weltliche Herrscher solle sie imstande halten. Erasmus nur mahnt dazu, dass es durch mildere Formen vorgeht und auch praktisch hat er sich allen Versuchen die Reformation durch Macht zu unterdrücken entgegengestellt.

Auch Thomas More hat in seinem Utopia nur eine Religion, die sich jedoch auf Verehrung eines unsichtbaren und unzeigbaren Gottes beschränkt. Leute, die sich dem Staatskult nicht fügen, sollen zuerst durch Argumente über Blödsinnigkeit solcher Haltung überzeugt werden, und – wenn sieals hartnäckige erscheinen – sollen sie versklavt werden und so praktisch ihren Menschenstand verlieren. Aber das Utopia ist interessant darin, dass sie eine von den künftigen Entwicklungslinien des Toleranzgedanke angedeutet hat, nämlich die Rationalistische Toleranz, die sich auf Verringerung und Rationalisierung des Glaubensinhalts stützt. Wie verhalten sich aber zu der Toleranzfrage die Reformatoren?

Am nächsten zu dem mittelalterlichem Standpunkt steht Melanchton. In seinen Augen ist die Pflicht einer Christlichen Obrigkeit sich nicht nur um den Staat zu kümmern, sondern auch die Reinheit der Christlichen Glaube durch alle erreichbare Mittel imstande halten. Melanchton hat sich auch für eine harte Bestrafung der Beteiligten an dem Bauernkrieg eingesetzt und hat auch Servets Hinrichtung gebilligt.

Calvin, der sich unseligerweise, gerade durch den Prozess gegen Servet rühmte, begrenzt die durch Tod strafbare Ketzerei auf die Vorfälle, wenn Gott (oder Trinität) verleugnet wird. Deshalb hat er nicht (wie auch Bucer) für die Wiedertäufer die Todesstrafe beansprucht. Um während des Prosses mit Servet sich nicht zu die Anklage aus Ketzerei begeben müssen, die aus mehreren Hinsichten prekär war – die Katholischen benutzen sie gerade gegen die Reformierten und es würde nicht gut aussehen, wenn jetzt diese würden dieselbe Waffe sie gegen ihre Gegner aufheben, benutze er eine verschieden Kategorie des Justiniankodex, nämlich Blasphemie. Aufgrund der wurde Servet wirklich verurteilt und auch faktisch verbrannt, was trotz aller breitschulterigen Rhetorik der Reformatoren ist unter ihnen ein einmaliges Vorgehen geblieben. Die Mehrheit der Reformatoren beeilte sich jedoch dem Calvin gegen eventuelle Einwände beizustehen. Löblich haben sich nicht nur Reformatoren aus geistverwandten Schwezerishcen Gemeinden ausgesprochen, von denen man würde etwas solches schliesslich erwarten, und die auch Zeugnisse während des Prozesses über Servets Fall geleistet hatten (Musculus und Haller aus Bern, Bullinger und Walther aus Zürich, Gratarolo aus Basel und Frel aus Neuchatel), sondern auch Melanchton; nichtdestominder die Sache war so erstaunlich, dass calvin sich dazu gezwungen fühlte, seine Handlung in einem besonderen Schriftstück zu verteidigen, das er im nächstem Jahre herausgeben hat. Es sind wirklich bald Stimmen erklungen, die Calvins Tat kritisierten. Eine von ihnen war ein Schriftstüsk von David Joris, einem geheimen Wiedeertäufer, der unter dem Namen Johannes von Bruck uin Basel lebte. Eine andere aus derselben Stadt stammende war jedoch bedeutsamere: Es war das Werk De haereticis an sunt persequendi und sein Verfasser war der Proffessor der Griechisch aud der Basler Universität und Übersetzen von dem Neuen Testament Sebastian Castellio15. Die Schrift argumentiert folgenderweise: Häresie ist sicher für die Christliche Gesselschaft gefährlich. Aus ihrer gewaltsamer Unterdrückung kann jedoch noch grösseres Unheil entstanden, denn es ist erstens nicht klar, ob alle, die als Ketzer angezettelt worden sind, auch solche wirklich sind, und dann gibt's hier eine grösse Unterschied zu Kriminellen Akten, wie zum Beispiel einem Mord, denn bei jenen es ist jemandem klar, war für eine Verbrechen eigentlich verübt wurde, während in den Glaubensfragen viel geringere Klarheit herrscht und überdies sind die Bräuche und Manieren in verschiedenen Glaubensgemeinden "von Land zu Land" in Einzelheiten sehr unterschiedlich. Es gibt keine Einverständnis über Freiheit des Willens, über Prädestination, über Trinitätsfragen, über Gott, die Engel und de Los des Seelen nach dem Tod. Wer wird in solchen Fragen urteilen? Calvin freilich? Wenn es ihm alles so klar ist, warum schreibt er über solche Fragen lange Bücher? Nun mal den Zöllnern und Dirnen im Evangelium das Heil zugesagt ist, ohne eine Antwort auf solche Fragen zu wissen. Die Aufgabe der Christen sei nicht solche Dinge zu erforschen, sondern in weißem unbeflecktem Kleide ihren Herrn zu erwarten.

Früher als wir uns anderen (nicht sehr zahlreichen) Stimmen widmen werden, die solche oder jene Art der Glaubenstoleranz befürworteten, lass uns noch bei Calvin and anderen radikalen Häresievorkämpfer verweilen. Calvin freilich tolerierte die Täufer, es ist aber auch durch ganze Menge von Hexenprozessen bekannt, die schliesslich zur Verbrennung von etwa ein Paar Dutzend Leuten führten. Noch radikaler hat gegen alle mögliche Opponenten Zwingli augetreten. In Zürich wurde nämlich der Kirchenzucht zu einer öoffentlichen Sache und die Stadtsrat selbs hat sie als ihre Aufgabe übernommen. Zürich wurde so praktisch zu einzigem theokratischem Staaten auf dem reformiertem Boden, und in Glaubensfragenwar kein Unterschied mehr möglich. In Zürich mussten deshalb auch die Täufer für ihre Gesinnung mit ihren Leben zahlen.

Nach vorabgehender Analyse könnte man vielleicht zum Anschein kommen, daß die radikalen Reformatoren und Wiedertäufer sicher sehr milderee Standpunkte vertreten müssten. Ganz der Gegenteil ist jedoch wahr: Müntzer hat in seinem eschatologischen Wahn zur Austilgung aller aufgerufen, die sich zu seiner Heiligen nicht anschließen, und forderte zu Evangelisierung durch Schwert und Blut auf. Die Führer der Münsterer Kommune, beispielsweise Bernd Rothmann taten nicht verschieden. Beiden Täufern es ist nur die zwete Generation, die das Zeichen der Niederlage und der folgenden grausamen Represalien trägt, verkörpert durch Menno Simmons, die mit dem Gedanken einer friedlichen Toleranz kommt. In dem Süddeutschen Gebiet hatte jedoch schon 1524 Balthasar Hubmeier an Toleranz appeliert: "Die Ketzermeister sind allegrößten Ketzer, indem daß sie wider Christus Lehr und Exempel die Ketzer in das Feuer verurteilen und vor der Zeit der Ernte ausraufen den Wizen zusamt dem Unkraut”16, was ist eine Idee, die nicht unähnlich den späteren Castellios Thesen klingt.

Eine tolerante Stellung wurde auch von Sebastian Franck vertreten. Sein Standpunkt war rein skeptisch: Es sei Sinnlos Leute, die in ihren Meinungen som unterschiedlich sind, "in einen Stall und Pferch des christlichen Glaubens zu bringen”. An der anderen Seite die Einheit der Christenheit als eine Notwendigkeit anerkennt. Er weiß jedoch mnicht, wie sie zu erreichen. Sicher nicht auf dem Weg der Gewalt, denn "je mehr Gesetz, je weniger Gerechtigkeit”.

In der erledenen Gruppe schon angeführten Reformatoren felht noch ein Name: Martin Luther. Das ist deshalb, dass diesen Einzigen können wir auf die imaginäre andere Waagenschale, auf die Seite der Toleranz stellen. Für Luther war es ganz fremd den Glauben und das Evangelium mit weltlicher Macht zu verknüpfen. Theoretisch wie auch praktisch hat er sich immer darüber bemüht, dass jemandem, einschliessend denen, die algläubisch bleiben wollten , und auch den radikal abtrünnnigten, die Freiheit ihre Ansichten zu vertreten und verbreiten gegönnt würde. In seinem zu den Säschischen Kurfürsten adresierten Aufruf den Bauernaufstand zu untersrücken in 1524 schreibt er, dass Unfrieden estisckt werden sollen, aber die Glaubensfreiheit erhaltet: Man lasse sie  nur getrost und frisch predigen, was sie können und wider wen sie wollen.... Man lasse die Geister aufeinander platzen und treffen. Werden etliche inder verführt, wohlan, so geht's nach rechtem Kriegslauf.” In seinen späteren Jahreh hat jedoch auch er seine Stellung verändert in dem Sinne, dass Predigt, die zum öffentlichen Aufruhr führen würde – nämlich gegen die Obrigkeit und ihre Behörden, wie auch gegen den Kirchenregiment, sollte nicht toleriert werden. In der Kirche dar offiziell nur ein Ansicht auf jedwede Sache herrschen. Die Obrigkeit soll die Meinungen beider Parteien verhören, und dann eine Entscheidung treffen und der Gegenpartei ewiges Schweigen anordnen. Luther verschränkt seine ursprüngliche Duldsamkeit noch in Einem: Öffentliches Lastern und Gottlosigkeit sollen nicht geduldet werden; nichr darum, dass es dem wahren Glauben oder Evangelium Schade zufügen könnten, sondern deshalb, dass so ein Benehmen sehr oft Gottes Zorn auf sich zusammenrufen. (Ei, was für echt mittelalterliches Denken tauch hier wieder empor!) Man kann deshalb der Obrigkeit nicht verübeln, dass sie Ausbreitung von solchen Ideen nicht gestattet. Sie soll jedoch darauf sich anhalten, dass sie den oder die Lästerer (aufstelle deren kann auch beliebige Ketzer geraten) von der Gesamtheit des Volks isoliert, damit der Zorn Gottes nur auf sie und nicht auf die Gemeinschaft aufschlägt. Dieser Gedanke wurde auch praktisch angewendet, inbesonderem in der Beziehung zu den Katholishcen, in erster Reihe zu Kloster- und Chorherrgemeinschaften. Eine allgemeine Praxis in lutherischen Gebiete war ihr religiösen Leben innerhalb ihren geschlossenen Glaubensgemeinschaften zu tolerieren, aber kein Beziehungen zu dem äusseren Welt ihnen zu gönnen.

Wohl aus ganz anderer Seite, soll hier denn auch Wolfgang Capito angereiht werden. Er hat in der religiös tolerantem Umwelt von Strassburg neben such ziemlich toleranten Martin Bucer gewirkt, und war aus diesem Paar sogar der Toleranter. In einer Phase seiner geistigen Entwicklung wurde er sogar zum Vertreter – obwohl er war nicht ihr Urheber - einer sonderbarer Toleranzbewegung, des sogenannten Nikodemismus. Die Idee dieser Bewegung war wirklich Toleranz: wo nämlich ein Christ die Lirche nicht rein nach seinen Vosrtellungen vorfindet, solle er sich an dem Leben der örtlich konstituirten Keirchengemeinschaft beteiligen, wenn nur da der Amt des Wortes und der Sakrament besteht. Einzelne Kirchen und ihre Zugehörigen sollen auch nicht durchweg verdammen werden, obwohl in ihren Ordnungen und unter ihren Diener vieles Untugend herrschen möge; es leben auch in diesen Kirchen viele echten und frommen Christen, die die Last des Papsttums tragen. Der christliche wandel solle es nach dem Vorbild des Nikodemus richten, der nur heimlich Jesum aufsuchte, und um nicht Ärgernis zu verbreiten weiter auf den Gemeinschaft der Juden beteiligt war und wohnte in ihrem Rat bei. Die anderen Reformatoren auf dem Haupt mit Calvin waren allerdings stark gegen derartigen Capitos irenischen Stimmungen und Capito wurde zu Nachgeben gezwungen.

Damit sind wir zu einem wichtigen Bemerkung gekommt. Allegemein können wir sagen, dass die Idee der Toleranz gegenüber abweichenden Glaubensformierungen war in dem 16-ten Jahrhundert in Minderheit und nämlich unter den Reformatoren, unter radikalen Prediger, wie auch unter den Humanisten. Wie aber sah der Umgang mit den Ketzerischen Gruppen in der Praxis aus? Die Unterscheidung muss es sich hier vielmehr nach dem Charakter einzelnen Bewegungen, als nach dem Ansicht der Autoritäten richten. Die Spiritualisten und Intuektuelle Dissidenten wurden meistens generell vielmehr toleriert, obgleich sie sehr often von Stadt zu Stadt und von Gemeinde zu Gemeinde ziehen müssten , než sie ein Ort findeten , wo sie sich ansiedeln durften. Der Fall Servets ist auch in diesem Hinsicht ausserordentlich. Luthers Differenzieurung zwischen dem Wettlauf der Gedanken und Hetzen zum Aufruhr hat wahrscheinlich ihr einfluss gehabt. Bei radikalen Predikanten sah die Lage anders aus. In ersten Reihe die Wiedertäufer wurden nach dem Bauernkrieg und besonders anach dem Fall der Münstrer Wiedertäuferreiches auf dem ganzen Reichsgebiet vogelfrei, rücksichtslos dessen, ob sie die radikalen Ansichten ihrer Vorläufer , oder die Milderen im Sinne z.Bsp. eines Menno Simmons, Hans Denck oder Balthasar Hubmeier vertreten hatten, und solcher Zuschand währte noch durch das ganze 16-te Jahrhundert. Aber auch hier findet man Unterschiede. Derweil David Joris wurde noch nach seinem Tod in Basel ausgegraben, als seine echte Identität endeckt worden war, und seine Leiche wurde auf Scheiterhaufen verbrannt, und derwiel die Wiedertäufer in Österreich, in der Schweiz und im Schwaben wurden regelmässig gehenkt, durfte jedoch ein von den hervorragenden Führer des früheren Täufertums, Johannes Campanus,17 seine Tage nur in einem leichtem Kerker in Angermünde beenden.

Die zweite Hälfte des 16-ten Jahrhunderts steht schon in dem Zeichen einer verschärften Spannung zwischen den Reformationskirchen und auch unterhalb von ihnen un in der Atmosphäre einer gesteigerten Intoleranz, was bei einzenlen Intelektuellern vornehmlich Parazelsistischer oder Weigelischer Prägungs Anlass zu dem Ruf nach einer "anderer Reformation" gibt und schliesslich zur Entstehung von (tatsächlichen oder nur fiktiven) Gemeinschaften von einem ökumenischen und eingigenden Charakter an der Spitze der berümten Bruderchaft de Rosenkreuzes führt.

Literatur

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Lane, T.: Dějiny křesťanského myšlení; Návrat domů, Praha , 1996

Lemper, Ernst-Heinz: Jakob Böhme. Leben und Werk; Union Verlag Berlin;1976

Lieb, Fritz: Kommentar zur Schöpfungsgeschichte und das Schrifttum seines Schülers Benedikt Biedernann; Eine literarkritische Untersuchung zur mystischen Theologie des 16.Jahrhunderts; EVZ-Verlag Zürich, 1962,

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Tamburini, Fil.Schmugge, L. (ed.): Häresie und Luthertum. Quellen aus dem Archiv der Pönitentiarie in Rom (15. und 16. Jahrhundert); Ferdinand Schöningh, Paderborn-München-Wien-Zürich;2000

Vlnas, Vít: Novokřtěnci v Münsteru, NLN Praha 2002

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Wollgast, Siegfried: Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung, 1550-1650; Akademie Verlag, 1988

Wollgast, Siegfried: Valentin Weigel in der deutschen Pghilosophiegeschichte in Valentin Weigel: Ausgewählte Werke, W.Kohlhammer, Stuttgart-(Berlin-Köln-Mainz), 1978

1Diese Frage zu untersuchen begab sich in besonderem Fritz Lieb in seinem hervorragendem Werk Schöpfungsgeschichte und das Schrifttum seines Schülers Benedikt Biedermann; Eine literarkritische Untersuchung zur mystischen Theologie des 16.Jahrhunderts; (EVZ-Verlag Zürich, 1962). Er hat durchschlagend gezeigt, dass Biedermann ist die Autorenschaft von meisten pseudoweigelianischen Werken zuzuzählen, konkret die Folgenden: Vom seligen Leben (1575); Libellus se via perveniendi ad veram theologizandi rationem (1576); De Loco Mundi (1576/78); De arbore vetita ; Fiat lux; Excitatio Mentis de De luce et Caligine ; De creatione hominis; Informatorium theologicum (1579/80); Contemplativa Directio ad Unum; Collatio utriusque cognitionis; Clavis compendiosa ad omne genus scientiarum (1579/80; De coelo et mundo (1581/2)); Facilis, beatifica et expedita Methodus ad omne genus Scientiarum (1585; bei diesem Werk kennen wir das genaue Datum und auch den Ort der Entstehung – Zschopau und sein Autor kann nicht Weigel sein, wie Lieb gezeigt hat), Vom Apfelbiß (hier ist die Lage ähnlich wie beidem vorangehendem Werk), Vom Alten und Neuen Menschen (1583), Vom alten und Neuen Jerusalem (1583), Theologia Weigelii (1584), Studium universale(1590). (Die übrige Datierungen sind nur konjektural zu nehmen. Das, dass Lieb viele von diesen Werken noch zu Weigels Lebenszeit angeordnet hat, setzt natürlich eine simultane literale Tätigkeit von Weigel und Biedermann voraus, also der Lehrer und der Schüler mussten zugleich schreiben)

Unentschieden muss jedoch bleiben die Autorenschaft bei dem durch das Zeichen M.B.W signierten Schrift Von der Seligmachenden erkentnus Gottes, nach der Heiligen Dreyeinigkeit und bei manchen anderen Schriften. Für unecht müssen wir auch den zweiten und dritten Teil von Gnothi se auton halten – und also sie Biedermann attribuieren, und weiter der Schluss seiner Genesis-Auslegung, wie sie gedruckte Ausgaben nach 1616 enthalten. Der echte Schluss, aus dem Jahre 1588 stammend, wurde jedoch in handschriftlicher Fassung gefunden. (Für Einzelheiten siehe Lieb S. 20-38)

2In jener Zeit lebte noch Weigels Gefährte und Nachfolger (und Mitverfasser? – siehe vorige Fußnote) Biedermann, war jedoch ein gebrochene Greis, der nach seiner spektakulärem Disziplinärverlegung aus 1599 zur Ende seines Lebens auf eine Dorfpfarre zustrebte, wo er auch 1621 gestorben ist.

3Johann Knuber zu Newenstatt. Die wahrscheinlichsnten Drucksorte sind Magdeburg und Halle.

4Für echte Weigels Schriften können wir also die Folgende halten: Von der Bekehrung des Menschen (1570); Von Armut des Geistes oder wahrer Gelassenheit (1570); Libellus de Vita beata (1570); Deus non potest se ipsum negare. Exercitium mentis(1571); Scholasterium Christianum (1571); Anleitung zur Teutschen Theology (1571); Gnothi seaton (1571); Vom Gesetz oder Willen Gottes (1571); Ein Büchlein vom Seligmachenden Glauben (1572); Vom himmlischen Jerusalem in uns; Das Büchlein vom Gebet; Der Gründliche Bericht vom Glauben (1576); Vom Ort der Welt (vor 1576); Informatorium oder kurtzer Unterricht, welcher gestalt man den schmalen Weg zu Christo sich führen lassen kan (1576); Der güldene Griff (1578); Von Betrachtung deß Lebens Christi (1578); Kirchen oder Hauspostil über die Sontags Evangelien durch gantze Jahr (1578-79);Dialogus de Christianismo (1584)

5Vgl. Opel, J.O.: Valentin Weigel, Leipzig 1864, s.50 ff.

6Die erwähnten Kirchenväter hatten meistens die positive Beschaffenheit, dass sie die Ansichten ihrer Gegner ordentlich und ausführlich zitiert hatten, bevor sie sie widerlegten, und so sie auch späteren Zeitaltern überliefert haben, in welchen schon ihre Bücher zu allgemeinem Thesaurus der Kirchenlehre wurden, also aufbewahrt und umgeschrieben, während die Bücher ihrer Gegner, nicht imstande seiende desgleichen Ansehens zu genießen, allmählich verschwanden. Patristische Zitationen waren den zeitgenössischen Gelehrten zu Hauptquelle ihres Wissens über die Gnosis bis weit in die 19. Jahrhundert.

7Vgl. mit Paracelsus, der aus der Theorie des Himmlischen Leibes genau umgekehrte Schlüsse abgeleitet hat.

8Wir haben uns hier nicht mit Weigels Erkenntnistheorie, die in besonderem in Güldene Griff ausführlich erläutert wurde, befasst. Die Erkenntnis kommt für Weigel aus dem Subjekt aus; doch braucht er sein Objekt oder Gegenwurf der ihn zu seiner Aktivität anregt.

9Sämtl.Werke (ed. Sudhoff) II,409 f.

10 Sie sind: Ens Astrorum, das in unsichtbarer Wirkung ursprüngliche Duldsamkeit noch in einem Sinne: der Sterne auf die Natur besteht, Ens Veneri – das in der Nahrung besteht, Ens Naturale, das seinen Wurzel in Vergänglichkeit und natürlichem Lebenslauf des Menschen hats und Ens Spirituale, das ein Ausdruck schädlichen oder feindlichen Beziehungen ist, die auch magische Macht haben dürfen, und ähnlich war auch das Verhalten der Strassburger Reformatoren zu dem Führer der dortigen Anabaptisten Melchior Hoffmann.

11Ihr Konzept stammt von Empedokles aus Agragant, der in dem 5-ten Jahrhundert vor Chr. gelebt hat.

12Minimal zwei von diesen Prinzipen schon in der mittelalterlichen (leider sehr wenig bekannten) Alchemie hervortreten hatten. Ein neues Prinzip sensu stricto ist nur sal.

13 Sudhoff, Karl: Versuch einer Kritik der Echtheit der Paracelsischen Schriften, Band 1-2, Berlin 1898/9

14 Gilly, Carlos: Theophrastia Sancta in Analecta Paracelsica. Studien zum Machleben Theophrast von Hohenheims im deutschen Kulturgebiet der frühen Neuzeit. Joachim Telle (ed.), Franz Steiner Verl., Stuttgart 1994 s.425-488

15Die Schrift erschien unter dem Pseudonym Martinus Bellius.

16 Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte XXIX, 1961, Jhg. 4, Aufs13

17Den Campanus pflegt man wohl zu den Anabaptisten hinzurechnen, er war jedoch ein Einzelgänger, der zwar auch predigte und vorübergehend auch manche Sympatien zu sich unter der Bevölkerung erweckte,doch hat  er sich nie zu einer Gruppe der Wiedertäufer beigegesselt. Der Schwerpunkt liegt bei ihm in der Trinitätslehre, die er im Sinne der Arianer verstand (Er leugnete auch, dass der Geist ein Person wäre; der Geist sei nur die Liebebeziehung zwischen Vater und Sohn), und in der Abendmahlslehre. - Bei Marburger Disputation wollte er eine eigene Lösung vorschalgen, die die beiden Seiten versöhnen sollte; man gab ihm aber kein Verhör.

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